Welche Sozialkasse darf’s denn sein? Sowohl-als-auch-Betriebe und die SOKA-Pflicht
An welche der Sozialkassen muss unser Betrieb zahlen?
SOKA-Bau, Malerkasse, SOKA-Gerüst, SOKA-Dach und EWGaLa: Dahinter verbergen sich tarifliche Sozialkassen für den Bau- und Handwerksbereich. Wenn ein Betrieb dem entsprechenden Tarifvertag „unterfällt“, ist er gegenüber der jeweiligen SOKA beitragspflichtig.
Die Auslegung führt jedoch regelmäßig zu Streit Gilt einer dieser Tarifverträge für einen bestimmten Betrieb, oder nicht? In vielen Fällen ist die Antwort keineswegs auf Anhieb klar – selbst wenn die entsprechende Sozialkasse von ihren Ansprüchen fest überzeugt ist. Bei manchen Betrieben kommen sogar zwei verschiedene Tarifverträge bzw. SOKAs in Betracht – dann muss geklärt werden, welche das ist.
Das Ergebnis ist für solche Unternehmen durchaus spürbar: Die Sozialkassen unterscheiden sich beträchtlich, sowohl in der Beitragshöhe wie bei den Leistungen.
Einführende Infos zu den Sozialkassen
- Welche baulichen Sozialkassen gibt es, wo liegen die Unterschiede: Überblick über die verschiedenen Sozialkassen.
- Welche Gesichtsunkte können für, welche gegen eine SOKA-Beitragspflicht sprechen: „Sozialkassenpflichtig oder nicht?“
Typische Zweifelsfälle: Beispiele für „Sowohl-als-auch“-Betriebe
- Gehört ein Betrieb, der Zimmererarbeiten ausführt und außerdem Dächer deckt, in den Geltungsbereich der SOKA-Bau oder der SOKA-Dach? Im Westen beträgt der Gesamtbeitrag im einen Fall 20,8 %, im anderen 10,2 % vom Bruttolohn.
- Was ist mit einem Unternehmen, das Häuser streicht, Fassaden verputzt und Wärmedämmarbeiten ausführt? In der Malerkasse beträgt der Gesamtbeitrag 14,3 % vom Bruttolohn, ebenfalls deutlich weniger als in der SOKA-Bau.
- Noch extremer ist der Unterschied, wenn ein Gartenbaubetrieb neben Grünarbeiten zunehmend auch Pflasterarbeiten im Rahmen regulärer Tiefbauprojekte durchführt. Der Beitrag zur EWGaLa beträgt gerade einmal 0,8 % des Bruttolohns.
- Ist das Schlitzen von Wänden für Leitungsverlegungsarbeiten eine typische baugewerbliche Leistung oder Teil des Elektrikerhandwerks? Ein Innungsbetrieb im Elektrikerhandwerk muss in der Regel gar keine Sozialkassenbeiträge bezahlen.
Wie sehen Arbeitsgerichte die Sozialkassenpflicht bei „Sowohl-als-auch-Tätigkeiten“?
Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte hat einige Grundsätze zur Entscheidung solcher Fälle herausgearbeitet.
- Zunächst einmal ist ausschlaggebend, welche Tätigkeiten im Betrieb arbeitszeitlich überwiegend ausgeübt werden. Allerdings ist die Entscheidung in der Praxis oft längst nicht so klar. Was ist etwa mit „Zusammenhangstätigkeiten“ – zu welchem Bereich bei verschiedenen Gewerken gehören die?
- Im Fall von Sowohl-als-auch-Tätigkeiten, die keine eindeutige Zuordnung zulassen, kann zum 50-%-Kriterium (mehr als die Hälfte einer Tätigkeiten, einschließlich der „Sowohl-als-auch“-Arbeiten) noch ein 20-%-Kriterium kommen: mindesten ein Fünftel der Gesamtarbeitszeit umfasst reine, typische Tätigkeiten eines Handwerks (ohne „sowohl als auch“.)
- Ein Gesichtspunkt kann sein, dass „Sowohl-als-auch“-Tätigkeiten zu mindestens 20 % von Fachkräften des einen Handwerks (Maler, Gerüstbauer, Dachdecker etc.) ausgeführt werden. Oder: ein Meister dieses Handwerks beaufsichtigt die Arbeiten.
- Wenn es also darum geht, ob das Abspachteln von schadstoffhaltigen Lackierungen unter (SOKA-Bau-pflichtige) Sanierungsarbeiten fällt oder unter (malerkassenpflichtige) Maler- und Lackierertätigkeiten, dann kann eine Rolle spielen, wer da gearbeitet und wer die Aufsicht geführt hat – Maler und Lackierer, oder andere Arbeitskräfte?
- Schließlich kann auch die Betriebsorganisation eine Rolle spielen: Wenn der Betrieb zum großen Teil Zimmereiarbeiten ausführt, eine eigenständige Betriebsabteilung aber Dachdeckerei betreibt, dann kann diese Abteilung unter die SOKA-Dach fallen, der Rest der Arbeitnehmer unter die SOKA-Bau.
Wenn, könnte, wäre… geht es nicht genauer?
Auf einer Baustelle gibt es einen klaren Plan, einen klaren Auftrag und feste Abnahmekriterien – (hoffentlich). Man sieht also, was da entstehen wird. Im Rechtswesen ist es leider schwieriger: Hier entscheidet die „Gesamtschau“ der Gegebenheiten im Einzelfall.
Anders gesagt: Man muss die individuelle Situation genau analysieren, um herauszubekommen, was sich für die Sozialkassenpflicht eines bestimmten Betriebs zu einem bestimmten Zeitpunkt ergibt. Konkrete Aussagen lassen sich deshalb nur zum konkreten Einzelfall treffen.
Gestaltungsmöglichkeiten
Trotzdem: Ausgeliefert sind die Unternehmen nicht. Mit bestimmten Entscheidungen kann man auch die sozialkassenrechtliche Seite ein Stück weit gestalten.
- Stellt man einen Meister des einen oder des anderen Handwerks ein?
- Sorgt man dafür, dass bestimmte Arbeiten durch eine klar abgegrenzte Betriebsabteilung ausgeführt werden, deren Mitarbeiter dann in eine (günstigere) Sozialkasse fallen?
- Lässt man vielleicht sogar von einem Auftrag die Finger, weil damit die 50-%-Schwelle überschritten und die SOKA-Pflicht erreicht wäre?
Bei solchen Fragen kann Ihnen Rechtsanwalt Dr. Meides weiterhelfen. Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht, befasst sich seit vielen Jahren mit den Sozialkassen und hat einen klaren Blick für die praktische, wirtschaftliche Seite der juristischen Feinheiten.
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