Vorsicht bei unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung – zusätzliche Haftung für Sozialkassenbeiträge des Verleihers
Das BAG musste sich mit folgendem Sachverhalt auseinandersetzen: Der Kläger ist die gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes (Soka-Bau). Er macht gegenüber der Beklagten – einem polnischen Bauunternehmen – Beiträge zur Sozialkasse nach dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) geltend nachdem die deutsche GmbH insolvent wurde.
Die Beklagte hat entsandte Arbeitnehmer auf Baustellen einer deutschen Bau GmbH eingesetzt.
Dabei waren die polnischen Arbeitnehmer in vollem Umfang fachlich und organisatorisch in den Betrieb der deutschen Bau GmbH eingegliedert und unterlagen den Weisungen dieser. Über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügte die Beklagte nicht.
Somit lag ein Fall der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung vor.
Entscheidung: Das BAG gibt der Soka-Bau Recht und verurteilt die Beklagte, also dem polnischen Verleiher, zur Zahlung. Das Gericht stützt den Anspruch auf Zahlung von Sozialkassenbeiträgen auf § 1 Abs. 2a Arbeitnehmerentsendesetz alte Fassung (§ 8 Abs. 3 AEntG neue Fassung). Der Anspruch bestehe, da die Arbeitnehmer der polnischen Baufirma im Rahmen einer unzulässigen Arbeitnehmerüberlassung baugewerbliche Tätigkeiten in Deutschland ausgeübt habe.
Die Argumentation der Beklagten, dass die Arbeitsverhältnisse dem polnischen Recht unterlegen haben, lässt das BAG nicht gelten.
§ 1 Arbeitnehmerentsendegesetz alte Fassung sei zwingendes Recht. Im Übrigen greife § 1 Abs. 2a AEntG alte Fassung auch für Fälle der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung. Dafür führt das BAG den Wortlaut der Vorschrift ins Feld. Dass der Anwendungsbereich auf Fälle erlaubter Arbeitnehmerüberlassung beschränkt sei, lässt sich nicht aus den Gesetzesmaterialien herauslesen. Schließlich spreche Sinn und Zweck der Vorschrift für diese Auslegung. Das Arbeitnehmerentsendegesetz bezwecke nämliche die Schaffung und Durchsetzung angemessener Mindestarbeitsbedingungen für Arbeitnehmer, die grenzüberschreitend eingesetzt werden.
Auch der Einwand, dass zunächst der Verleiher – die deutsche GmbH – in Anspruch zu nehmen sei, greift vorliegend nach Auffassung des BAG nicht durch. Entscheidend sei, dass die deutsche Bau GmbH in Vermögensverfall geraten sei. Obgleich in Fällen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher (der deutschen GmbH) per Gesetz fingiert wird, kommt das BAG zu dem Ergebnis, dass eine zusätzliche Haftung des Verleihers für die Sozialkassenbeiträge besteht.
BAG, Urteil vom 17.04.2013, Az: 10 AZR 185/12