Überlastungsanzeige des Arbeitnehmers: Wie reagieren Arbeitgeber optimal?

Überlastungsanzeige oder Gefährdungsanzeige: was ist das eigentlich?

Die Überlastungsanzeige ist ein Hinweis des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber. Der oder die Beschäftigte teilen den Vorgesetzten darin mit, dass sie mit der aktuellen Arbeitssituation nicht mehr zurechtkommen, überlastet sind und dadurch negative Folgen wie gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Fehler bei der Erledigung der Aufgaben drohen.

Mittlerweile wird manchmal auch von „Gefährdungsanzeige“ gesprochen, da der Begriff Überlastungsanzeige missverständlich sei. Dieses arbeitsrechtliche Instrument hat sich vor allem im Gesundheits- und Pflegebereich fest etabliert, ist aber nicht auf diese Branche beschränkt.

Gesetzlich geregelt ist die Überlastungsanzeige nirgends. Die Pflicht des Arbeitgebers zur Rücksichtnahme wird aus verschiedenen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs abgeleitet (§§ 611, 611a, 241, 242 BGB). Dazu kommt das Arbeitsschutzgesetz. § 15 ArbSchG verpflichtet Beschäftigte, „für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen“, und außerdem für diejenigen, „die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind“. § 16 ArbSchG schreibt Beschäftigten vor, „dem Arbeitgeber oder dem zuständigen Vorgesetzten jede von ihnen festgestellte unmittelbare erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit“ mitzuteilen.

Arbeitgeber sollten Überlastungsanzeigen nicht einfach ignorieren

Die rechtliche Brisanz einer Überlastungsanzeige ist umso größer, je detaillierter und nachprüfbarer sie die Überlastungssituation schildert. Enthält sie eine konkrete Schilderung der Situation am Arbeitsplatz, zum Beispiel …

  • konkrete Zahlen zu Ist und Soll der Personalsituation, zu Überstunden und fehlenden Pausen,
  • eine Darstellung der Aufgaben und Arbeiten, die deshalb nicht oder nicht richtig ausgeführt werden konnten, und der resultierenden Defizite und Gefahren,
  • Angaben zu persönlichen gesundheitlichen und psychologischen Folgen sowie
  • konkrete Hinweise auf ergebnislose Versuche, darauf aufmerksam zu machen,

… dann sollte der Arbeitgeber die Anzeige sehr ernst nehmen.

Die Folgen einer Überlastungsanzeige: die Haftung verschiebt sich

Mit der Anzeige geht tendenziell ein Teil der Haftung des Arbeitnehmers auf den Arbeitgeber über.

  • Angenommen, eine Pflegekraft macht die Leitung des Pflegedienstes darauf aufmerksam, dass sie nach zahlreichen Krankmeldungen von Kolleginnen die ihr zugewiesene Zahl an Patienten, im Rahmen ihrer Arbeitszeit nicht adäquat versorgen kann. Ihre Gefährdungsanzeige schildert, dass sie deshalb die vorgesehenen Pausenzeiten nicht einhalten kann, kaum Zeit zum Essen findet, ihre Arbeit unter ständigem Zeitdruck verrichtet und laufend Überstunden ansammelt. Dies, so schreibt sie weiter, führt zu zunehmenden gesundheitlichen Beschwerden und belastet sie in ihrer Freizeit. Sie befürchtet, dass ihr bei der Arbeit deshalb Fehler unterlaufen könnten.
  • Stellen wir uns vor, dieser Pflegekraft verabreicht kurz darauf einer Patientin überdosierte Kreislaufmedikamente, was zu einem medizinischen Notfall führt. In der Regel steht dann die Möglichkeit grober Fahrlässigkeit und damit die Haftung der Pflegekraft im Raum. Aufgrund der Überlastungsanzeige muss nun allerdings der Arbeitgeber damit rechnen, Ziel von Regress- und Schadenersatzforderungen zu werden: Er hat die Frau trotz ihrer bekundeten Überforderung eingesetzt und damit das Wohl der Patienten riskiert.
  • Nicht weniger problematisch kann es werden, wenn die Pflegekraft selbst einen Burn-out erleidet oder auf ihren täglichen Pflege-Runde einen Autounfall verursacht und körperliche Schäden zurückbehält. Auch in diesem Fall könnten Versicherungsträger oder die Angestellte selbst versuchen, den Arbeitgeber zumindest teilweise haftbar zu machen.
  • Sollte der Arbeitgeber auf die Überlastungsanzeige mit einer Abmahnung oder Kündigung reagieren, kann die Mitarbeiterin sich auf das Maßregelungsverbot berufen und mit guten Erfolgsaussichten klagen. Selbst wenn kein Zusammenhang zwischen Kündigung und Überlastungsanzeige besteht, muss der Arbeitgeber damit rechnen, dass eine unzulässige Retourkutsche unterstellt wird.

Der Haftungsübergang nach einer Gefährdungsanzeige ist kein Automatismus. Entscheidend sind auch dann die konkreten Umstände. Trotzdem bedeutet sie für das Unternehmen ein steigendes Haftungsrisiko und eine schlechtere rechtliche Ausgangsposition.

Arbeitgeber-Tipps zur Überlastungsanzeige

Die eine, richtige Reaktion auf eine eingehende Überlastungsanzeige existiert nicht. Das optimale Vorgehen hängt sehr von der konkreten Situation ab.

  • Auf keinen Fall sollten Sie als Arbeitgeber die Gefährdungsanzeige ignorieren.
  • Noch fataler ist es, mit Druck oder Sanktionen zu reagieren. Das bringt sie vor dem Arbeitsgericht in eine schwierige Position.
  • Inwieweit treffen die in der Anzeige benannten Probleme nachweislich zu? Je nach Situation kann sich der Handlungsbedarf verschärfen. Das gilt umso mehr, wenn viele Beschäftigten zu diesem Mittel greifen.
  • Andererseits ist auch der Arbeitnehmerseite klar, dass Überlastungsanzeigen ein wirksames Mittel sind, um Arbeitgeber unter Druck zu setzen. Oft unterstützen Betriebsrat oder Personalrat ihre Erstellung.
  • Werden Überlastungsanzeigen zum taktischen Instrument, ist eine strategische Reaktion gefragt. Einzelgespräche, auch mit den unbeteiligten Beschäftigten, und eine durchdachte Verhandlungsstrategie gegenüber dem Personal- oder Betriebsrat können weiterhelfen.

Die Überlastungsanzeige ist kein Zaubermittel, dem Klinik-, Pflege- oder Unternehmensleitungen nichts entgegensetzen können. Das zeigt der Fall einer Palliativ-Pflegefachkraft, die nicht weniger als sieben Überlastungsanzeigen in Folge erstattete. Sie wollte die Krankenhausleitung zu einer Neufassung der Betriebsvereinbarung zu Pausenregelungen zwingen. Das Arbeitsgericht Detmold wies dieses Ansinnen ab.

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