SOKA-Beitragsansprüche wegen Betriebsabteilung – oder sind diese längst verfallen?
Das Bundesarbeitsgericht zur Möglichkeit einer selbstständigen Betriebsabteilung – und zum Verfall von SOKA-Beitragsansprüchen
In einer Entscheidung aus dem Herbst 2022 hat sich das Bundesarbeitsgericht mit zwei Fragen zum Sozialkassen-Recht auseinandergesetzt:
- Unter welchen Voraussetzungen existiert in einem überwiegend nicht-baulichen Betrieb eine beitragspflichtige, bauliche Betriebsabteilung?
- Wann verfallen Beitragsansprüche der SOKA-Bau, die aus den Jahren 2015 bis 2018 stammen?
Die SOKA-Bau und der VTV
Die SOKA-Bau ist eine tarifliche Sozialkasse für die Bauwirtschaft. Der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), auf dem die SOKA-Bau basiert, wird vom Bundesarbeitsminister regelmäßig mit jeder neuen Fassung für allgemeingültig erklärt.
Deshalb sind Bauunternehmen, Betriebe des Baunebengewerbes sowie Bauhandwerksbetriebe, die von den Vorgaben des VTV erfasst werden, zur Beitragszahlung an die tarifliche Sozialkasse mit Sitz in Hessen verpflichtet. Das gilt auch für ansonsten nicht tarifgebundene Betriebe. Entscheidend ist, ob die Gesamtarbeitszeit im Betrieb mindestens zur Hälfte auf Tätigkeiten entfällt, die im VTV als beitragspflichtig definiert werden.
Immer wieder geraten Unternehmen ins Visier der SOKA, die sich selbst in keiner Weise als baulich einordnen. In Streit- und Zweifelsfällen zeigt sich die Sozialkasse ausgesprochen klagefreudig. Das bekamen beispielsweise ein Betrieb für Rostschutzarbeiten auf Schiffen zu spüren, ein Bauelemente-Handel, ein Elektrotechnik-Betrieb, der Photovoltaik montierte, ein Unternehmen für Industrieanlagen-Montage und eines zur Installation von Kühlzellen, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Sie alle wurden von der SOKA-Bau auf Beitragszahlung verklagt.
Gebäudereinigung und Abbrucharbeiten, Reinigung überwiegt – trotzdem Beitragspflicht?
Zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kam es auch im Fall eines Nürnberger Unternehmens, das vorwiegend in der Gebäudereinigung aktiv war und zusätzlich Abbrucharbeiten ausführte. Arbeitszeitlich überwogen die Reinigungsarbeiten. Während Abbruchtätigkeiten vom Sozialkassentarifvertrag erfasst sind, besteht für Gebäudereinigung keine SOKA-Beitragspflicht.
Damit, so könnte man meinen, hätten sich die Ansprüche der Sozialkasse erledigt. Doch SOKA-Bau forderte dennoch Beiträge: Ihrer Ansicht nach gab es zwei Arbeiter, die für den Abbruch zuständig waren. Diese bildeten nach Meinung der SOKA eine selbstständige Betriebsabteilung innerhalb des Gesamtbetriebs, so dass für diese beiden Beitragspflicht bestand.
Für die beiden Beschäftigten verlangte die SOKA Beitragsnachzahlungen von insgesamt mehr als 26.000 Euro für Beitragszeiträume vom Juni 2015 bis Dezember 2016. Das Unternehmen aus Nürnberg wehrte sich. Es bestritt, dass eine selbstständige Betriebsabteilung aus nur mit Abbruch beschäftigten Arbeitern vorlag. Sämtliche gewerbliche Arbeitnehmer hätten abwechselnd Abbruch-, Reinigungs- und Entrümpelungsarbeiten ausgeführt. Am Ende landete der Streitfall vor dem Bundesarbeitsgericht.
Bundesarbeitsgericht bekräftigt Rechtsprechung zur SOKA-pflichtigen selbstständigen Betriebsabteilung
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Möglichkeit einer Betriebsabteilung bestand. Eine solche muss keineswegs als abgetrennte eigene Abteilung im Unternehmen vorliegen. Vielmehr genügt laut VTV eine „Gesamtheit von Arbeitnehmern“, die „außerhalb der Betriebsstätte“ eines ansonsten nicht baulichen Betriebs „baugewerbliche Arbeiten ausführt“. Eine Betriebsabteilung erfordert also eine „Gruppe von Arbeitnehmern“, d. h. mindestens zwei, die …
- koordiniert, d. h. unter Anleitung
- außerhalb der Betriebsstätte
- arbeitszeitlich überwiegend
- baugewerbliche Arbeiten (gemäß der Abschnitte I bis IV VTV)
… ausführen.
Die Gruppe muss nicht ständig zusammenarbeiten oder einen eigenen Vorarbeiter haben, Ihre Tätigkeiten müssen nicht getrennt von den baufremden Hauptaktivitäten des Unternehmens organisiert werden. Auch eine „äußerlich wahrnehmbare räumliche und organisatorische Abgrenzung“ der baulichen Betriebsabteilung ist für das BAG nicht erforderlich. Schließlich ändert es nichts an der Beitragspflicht dieser „Gesamtheit“, wenn deren baugewerbliche Arbeiten aus Sicht des Arbeitgebers nur eine Nebentätigkeit oder ein zusätzliches Serviceangebot zum eigentlichen Unternehmensgegenstand darstellen.
Nach dieser Definition lag bei dem Nürnberger Unternehmen möglicherweise eine SOKA-pflichtige, selbstständige Betriebsabteilung vor. Das zu klären ist nun erneut Aufgabe des Landesarbeitsgerichts Hessen. In der Neuverhandlung liegt die Beweislast bei der SOKA-Bau.
Die Frage der Verfallsfrist für SOKA-Beitragsansprüche
Möglicherweise ist die Frage der selbstständigen Betriebsabteilung aber auch gar nicht mehr von Belang. Das BAG wies auf eine weitere Unklarheit hin, um die sich das LAG Hessen kümmern muss: die Möglichkeit, dass die Beitragsansprüche der SOKA verfallen sind.
In diesem Zusammenhang stellten die Erfurter Richter eine wichtige Sache klar: Die Verfallsfrist für SOKA-Ansprüche beträgt für alle Beiträge, die seit dem 1. Januar 2015 fällig geworden sind, drei Jahre. Mit dem VTV 2018, der zum 1. Januar 2019 in Kraft trat, war eine Verkürzung der tarifvertraglichen Fälligkeitsklausel von vier auf drei Jahren verbunden. Diese verkürzte Frist gilt auch für Beitragsforderungen, die auf dem VTV 2014 und 2015 beruhen. Dafür sorgen die Bestimmungen zu Verfall und Verjährung aus dem VTV 2018.
Praktisch bedeutet das: Die SOKA-Bau muss bei der erneuten Verhandlung der Beitragsstreitigkeiten vor dem hessischen Landesarbeitsgericht in Frankfurt am Main untermauern, dass sie die Forderungen innerhalb von drei Jahren nach den fraglichen Beitragszeiträumen 2015 und 2016 geltend gemacht hat, spätestens 2019. Andernfalls kann sie ihre Ansprüche abschreiben.
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