Macht jahrelanger Einsatz eine Baustelle zur ersten Tätigkeitsstätte?
Streit um den Steuerabzug für die Fahrtkosten zur Baustelle
Manche Bauprojekte dauern viele Jahre. Bauarbeiter, Bauhandwerker oder Monteure der am Bau beteiligten Betriebe sind dann oft über Jahre hinweg auf derselben Baustelle im Einsatz. Daraus folgt jedoch keineswegs automatisch, dass diese Baustelle auch ihre „erste Tätigkeitsstätte“ ist und für die Fahrkosten dorthin nur die Pendlerpauschale gilt. Das hat das Finanzgericht Münster vor einiger Zeit wieder bestätigt – und damit einem Elektromonteur einen Steuerabzug von mehreren Tausend Euro für seine Fahrtkosten in einem bestimmten Jahr ermöglicht.
Was ist überhaupt die erste Tätigkeitsstätte?
Die erste Tätigkeitsstätte ist vor allem für die Frage „Reisekosten oder einfache Entfernungspauschale?“ ausschlaggebend. Wenn ein Mitarbeiter nicht immer nur am gleichen Ort arbeitet, kann der Arbeitgeber ausdrücklich bestimmen, welche erste Tätigkeitsstätte dem Arbeitnehmer zugewiesen wird. Dabei kann er grundsätzlich auch einen Einsatzort wie einen Bauhof wählen, an dem der Arbeitnehmer nur morgens zu Beginn des Arbeitstags Material aufnimmt, Fahrzeuge übernimmt oder ähnliches. Wird die erste Tätigkeitsstätte nicht ausdrücklich vom Arbeitgeber bestimmt, dann ergibt sie sich aus dem Arbeitsvertrag und seiner praktischen Umsetzung. Zudem gibt es in bestimmten Fällen gar keine erste Tätigkeitsstätte.
Warum ist die die erste Tätigkeitsstätte wichtig?
Aus steuerlichen Gründen:
- Je nachdem, welcher Einsatzort erste Tätigkeitsstätte ist, kann der Arbeitnehmer mehr oder weniger Fahrtkosten von der Steuer absetzen. Auch Verpflegungskosten kann er nur absetzen, wenn es sich nicht um einen Arbeitseinsatz an der ersten Tätigkeitsstätte handelt. (Natürlich kann er nur solche Kosten bei der Einkommensteuer geltend machen, die der Arbeitgeber ihm nicht ersetzt.)
- Der Arbeitgeber spart bei Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte grundsätzlich Geld, weil er dafür keine steuerfreie Fahrtkostenerstattung bezahlen und auch sonst keine Reisekosten übernehmen muss. Für Fahrten zu anderen Tätigkeitsstätten gilt Reisekostenrecht, in der Regel wird der Arbeitgeber die Kosten ganz oder teilweise erstatten.
- Last not least: Bei Betriebsprüfungen werden Reisekosten meist besonders genau kontrolliert. Hat der Arbeitgeber Reisekosten erstattet, obwohl es sich um Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte handelt, kann er damit seinen Gewinn und folglich auch die Steuer verkürzt haben. Außerdem kann eine solche Zahlung statt als Kostenerstattung dann als Entgelt betrachtet werden, auf das Sozialabgaben abzuführen sind.
Sieben Jahre auf der Dauerbaustelle
Der Elektromonteur war von 2010 bis 2017 auf der gleichen Baustelle im Einsatz, 70 Kilometer von seiner Wohnung entfernt. Im Jahr 2014, um das es in dem Prozess ging, pendelte er an 227 Tagen dorthin. Die Fahrtkosten wollte als Werbungskosten bei der Einkommensteuer geltend machen.
Das Bundesreisekostengesetz sieht für berufliche Fahrten im eigenen Auto 30 Cent pro gefahrenem Kilometer vor. So kam der Monteur auf 9.534 Euro (227 Tage x 2 x 70 km für Hin- und Rückfahrt x 0,30 EUR). Davon zog er 4.165 Euro ab, die der Arbeitgeber steuerfrei als Fahrtkostenerstattung bezahlt hatte. Die restlichen 5.369 Euro setzte er als Werbungskosten ein.
Demgegenüber ergab sich beim Ansetzen der Entfernungspauschale nach Abzug der Fahrtkostenerstattung des Arbeitgebers lediglich eine Summe, die noch unter der Werbekostenpauschale lag (227 Tage x 70 km für die einfache Entfernung x 0,30 EUR = 4.767 EUR – 4.165 EUR Erstattung = 602 EUR).
Erste Tätigkeitsstätte oder nicht? Reisekosten oder nur Pendlerpauschale?
Das Finanzamt sah es jedoch anders. Seiner Meinung nach war die Baustelle die erste Tätigkeitsstätte des Elektromonteurs. Deshalb gestand es ihm nur die 1.000 Euro an Werbekostenpauschale zu, die jeder Arbeitnehmer geltend machen kann. Für die Fahrtkosten zu einer ersten Tätigkeitsstätte kann ein Arbeitnehmer nur die Entfernungspauschale oder Pendlerpauschale ansetzen. Die beträgt 0,30 Cent pro Entfernungskilometer zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte (gemäß der kürzesten oder günstigsten Route). Die Reisekostenpauschale beträgt dagegen 0,30 Cent pro gefahrenem Kilometer und erfasst damit Hin- und Rückfahrt.
Das Finanzgericht Münster gab dem Elektromonteur recht: Die Baustelle war 2014 nicht dessen erste Tätigkeitsstätte, urteilten die Richter. Eine wichtige Rolle spielte zwei Umstände: der Arbeitgeber hatte keine erste Tätigkeitsstätte ausdrücklich bestimmt. Und er hatte mit dem Bauherrn trotz der langen Gesamtdauer immer nur kurzfristige Verträge über längstens 36 Monate geschlossen. Die Zuordnung für mindestens 48 Monate, die eine erste Tätigkeitsstätte hätte begründen können, ergab sich deshalb in der Voraussicht zu keinem Zeitpunkt.
Eine Baustelle, auch eine Großbaustelle kann durchaus erste Tätigkeitsstätte sein
Allerdings kann eine Baustelle je nach Einzelfall sehr wohl eine erste Tätigkeitsstätte sein. Das gilt selbst für eine flächenmäßig sehr ausgedehnte Großbaustelle, auf der der Arbeitnehmer an unterschiedlichen Stellen arbeitet. Das ergibt sich aus der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs.
Fahrt zum Sammelpunkt ist wie die Fahrt zur ersten Tätigkeitsstätte
Gerade in der Baubranche kommt es häufiger vor, dass die Arbeitnehmer regelmäßig an bestimmten Abholpunkten abgeholt und dann gemeinsam vom Arbeitgeber zur Baustelle oder auf Montage gefahren werden. Ein solcher Sammelpunkt ist zwar keine erste Tätigkeitsstäte. Die Fahrtkosten der Arbeitnehmer von ihrer Wohnung dorthin und zurück werden jedoch genauso behandelt. Für diesen Teil der Fahrt darf nur die Entfernungspauschale geltend gemacht werden.
Bevor der Betriebsprüfer etwas findet, lieber den Fachanwalt für Arbeitsrecht und Steuerrecht fragen
Das Steuerrecht zur ersten Tätigkeitsstätte ist komplex, die Rechtsprechung hat sich gerade in letzter Zeit stark weiterentwickelt. Als Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Steuerrecht mit langer Erfahrung in der Beratung von Bau- und Handwerksbetrieben kann Rechtsanwalt Dr. Meides praktisch helfen, das Risiko teurer Prüfungsbescheide oder Rechtsstreitigkeiten zu entschärfen. Sie erreichen die MEIDES Rechtsanwaltsgesellschaft unter 069 9592 9790 oder eMail MEIDES Rechtsanwälte.
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