LAG Hessen: Rohrreinigung ist baulich und SOKA-beitragspflichtig

Rohrreinigung mit Spirale oder Hochdruck-Rohrreiniger: baugewerbliche Tätigkeit

Das Landesarbeitsgericht Hessen hat entschieden: Betriebe, die Rohre mit einer Spiralmaschine oder mit Hochdruck-Spülwagen reinigen, führen eine bauliche Tätigkeit aus. Diese fällt unter den Sozialkassentarifvertrag der Bauwirtschaft. Das bedeutet: Rohrreinigungsbetriebe sind zur Zahlung von Beiträgen an die tarifliche Sozialkasse (SOKA-Bau) verpflichtet.

Damit hängt über vielen Betrieben der Kanalreinigungs- und Rohrreinigungs-Branche die Beitragspflicht als Damoklesschwert. Besonders akut ist die Lage, wenn das Unternehmen neben der Verstopfungs-Reinigung auch Rohrsanierung und Kanalsanierung anbietet. Aber schon die Reinigung genügt nach diesem Urteil (Soka-Pflicht für Rohr- und Kanalreiniger).

Rohrreinigungsunternehmen sollten sich mit der SOKA-Bau befassen

Im Ergebnis bedeutet das Urteil des Landesarbeitsgerichts: Rohrreinigungsunternehmen sollten sich spätestens jetzt mit einer möglichen Beitragspflicht zur SOKA-Bau befassen.

Es empfiehlt sich, das Thema proaktiv anzugehen. Hat die Sozialkasse erst Beitragsforderungen gestellt, einen Selbstauskunftsbogen zugesandt oder Mitarbeiter in den Betrieb geschickt, wird die Zeit für Maßnahmen knapp. Wichtig: auf Forderungen nach Selbstauskunft sollten Betriebe nicht ohne vorherige Beratung reagieren. Unbedachte Angaben können in eine Beitragspflicht münden, die andernfalls vermeidbar gewesen wäre. Besser, man stimmt die Antwort mit einem auf das Recht der tariflichen Sozialkassen spezialisierten Rechtsanwalt ab.

Die Sozialkasse der Bauwirtschaft oder kurz SOKA-Bau ist eine von den Bau-Tarifpartnern vor vielen Jahrzehnten ins Leben gerufene Zusatzvorsorge- und Urlaubskasse. Der Bundesarbeitsminister hat den Tarifvertrag, den VTV-Bau, für allgemeingültig erklärt. Damit muss jeder Betrieb, der von diesem Tarifvertrag erfasst wird, Beiträge an die Sozialkasse bezahlen: mehr als zwanzig Prozent des Bruttolohns von gewerblichen Arbeitnehmern im Westen, knapp darunter im Osten. Beitragspflichtig ist ein Unternehmen, sobald mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit auf Arbeiten entfällt, die der Tarifvertrag als beitragspflichtig definiert. Die Beitragszahlung ist allein Sache des Arbeitgebers. Im Streitfall entscheiden die Arbeitsgerichte.

Rohrreinigungsbetrieb gegen Sozialkasse der Bauwirtschaft

Um einen Betrag von mehr als 600.000 Euro, entsprechend SOKA-Beiträgen für vier Jahre, ging es ursprünglich in dem Verfahren, das vom Hessischen Landesarbeitsgericht in Frankfurt am Main entschieden wurde. Die SOKA-Bau hatte einen Betrieb verklagt, der Rohrleitungen in privaten Gebäuden sowie Kanalrohre der öffentlichen Versorger kontrollierte, von Verstopfungen beseitigte und sanierte.

Bei verstopften Rohr- und Kanalleitungen kamen professionelle Abflussspiralen und Hochdruck-Spülwagen zum Einsatz. Kanal- und Rohrinspektion führte der Betrieb mit speziellen Kameras durch, sogenanntem Rohr-TV. Daneben kümmerte das Unternehmen sich um die Sanierung beschädigter Rohrleitungen: es fräste Ablagerungen und eingedrungenes Wurzelwerk ab und reparierte schadhafte Stellen per Kurzliner- und Inliner-Verfahren. Dabei wird von innen ein mit Reaktionsharz getränktes Glasfasergewebe beziehungsweise ein Glasfaserschlauch eingebracht, der als „Rohr im Rohr“ für Dichtigkeit sorgt. Außerdem war das Unternehmen gelegentlich im Rohrleitungsbau aktiv.

Die erste Instanz, das Arbeitsgericht Wiesbaden, hatte der SOKA Recht gegeben und dabei selbst die reine Kanalreinigung, d. h. das Beseitigen von Verstopfungen für baulich erklärt. Dagegen legte der Rohrreinigungsbetrieb Berufung ein.

Das LAG sieht in der Rohrreinigung eine „bauliche Tätigkeit“

Auch das Landesarbeitsgericht hielt jedoch an der Beitragspflicht fest. Reinigungsarbeiten, „bei denen mit einer automatisierten Spirale Verstopfungen durch Bohrungen beseitigt werden“, seien als bauliche Tätigkeit anzusehen. Das Beseitigen von Verstopfungen wird nach Ansicht der Richter von einer Regelung im Tarifvertrag erfasst, die generell Leistungen zur „Instandhaltung […] von Bauwerken“ für beitragspflichtig erklärt (§ 1 Abs. 2 Abschn. II VTV).  Rohre seien Teil eines Bauwerks, das Reinigen der Rohre baugewerblich. Dabei schien dem Gericht die Tatsache, dass Maschinen zum Einsatz kamen, besonders erwähnenswert: Spiralmaschinen seien „hochspezialisiertes Werkzeug“, das wie ein Bohrer funktioniere. Spülwagen arbeiteten mit Drücken von bis zu 160 bar. Die Richter verglichen die Reinigung der Rohre mit Kugelstrahlarbeiten als Vorarbeit zur Fußbodensanierung und mit dem Hochdruck-Dampfstrahlen zur Fassadenreinigung, beides baugewerbliche Tätigkeiten.

Den Einwand, dass die Rohrreinigungs- und Sanierungsarbeiten in das Berufsbild der „Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Industrieservice“ fällt, kein klassischer Beruf der Bauwirtschaft, ließ das LAG nicht gelten. Es bestehe eine „große Nähe“ zu unbestreitbar baugewerblichen Tätigkeiten wie dem Rohrleitungsbau und der Sanitärinstallation.

Das Unternehmen hatte Rohrreinigung und Rohrsanierung organisatorisch und personell getrennt, aber auch das änderte nichts an der Einschätzung des LAG. Es sah Rohrreinigung, Inspektion und Dichtigkeitsprüfung als Zusammenhangstätigkeiten zu einem späteren Sanierungsauftrag, selbst wenn dieser zunächst nicht absehbar war, möglicherweise erst Wochen später erfolgte und von anderen Mitarbeitern ausgeführt wurde. Entscheidend sei, dass der Betrieb „schon bei der Beseitigung der Verstopfung […] auf einen Folgeauftrag hofft“.

Aktuell legt SOKA-Bau gegen Urteile, in denen ihre Klage gegen Rohr- und Kanalreinigungsunternehmen abgewiesen wurde, Berufung zum LAG ein. Allerdings hat das LAG Hessen die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. In einiger Zeit kann also noch mit einer höchstrichterlichen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur „Baulichkeit von Rohrreinigung“ gerechnet werden.

Handlungsbedarf für Rohrreinigungsbetriebe: die Fachanwaltskanzlei Meides weiß Rat

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts macht Betrieben im Bereich Rohrreinigung und -sanierung das Leben schwer. Das Risiko, unter die SOKA-Beitragspflicht zu fallen, ist deutlich gestiegen.

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