Impfung beim Betriebsarzt: Das Bundarbeitsgericht zur Arbeitgeber-Haftung für Impfschäden
Beschwerden nach Impfung beim Betriebsarzt: Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers für Impfschäden?
Im Moment befindet Deutschland sich bekanntlich im Impf-Marathon. Die Impf-Priorisierung wurde indes zum 7. Juni 2021 aufgehoben. Damit kann, wie es das Bundesgesundheitsministerium formuliert, jeder und jedem in Deutschland ein „Impfangebot“ gemacht werden. Mit der Aufhebung der Priorisierung können nun auch niedergelassene Ärzte und Betriebsärzte die Corona-Schutzimpfung durchführen. Mit der Einbeziehung der Betriebsärzte in die Impf-Kampagne stellt sich die Frage nach einer möglichen Haftung des Arbeitgebers bei Impfschäden von Mitarbeitern.
Bereits einige Jahre vor der Covid-19-Pandemie hat das Bundesarbeitsgericht die Schmerzensgeldforderungen einer Arbeitnehmerin nach einer Impfung im Betrieb zurückgewiesen. Dabei ging es um eine Grippe-Impfung. Allerdings bezieht sich die Entscheidung auf eine grundsätzlich übertragbare Konstellation zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Betriebsarzt.
Impfung beim Arbeitgeber, Mitarbeiterin klagt über anhaltende Beschwerden
In dem Fall, der durch das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden war, ging es um eine medizinische Einrichtung der Universität Freiburg, die den Beschäftigten die Möglichkeit zu einer Grippe-Schutzimpfung anbot. Der Arbeitgeber übernahm die Kosten. Eine freiberufliche Betriebsärztin lud zu der Impfung ein und führte sie durch.
Eine im Controlling beschäftigte Angestellte klagte, nachdem sie sich der Impfung durch die Betriebsärztin unterzogen hatte, über starke Beschwerden, die sie auf eine Impfreaktion zurückführte. Wenige Stunden nach der Injektion kam es ihrer Darstellung zufolge zu starken Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule. Diese schränkten die Bewegungsfähigkeit erheblich ein, hielten über Jahre hinweg an und verhinderten, dass sie arbeiten konnte, so ihre Aussage.
Die Frau verklagte das Freiburger Herzzentrum, ihren früheren Arbeitgeber. Sie forderte Schmerzensgeld in beträchtlicher Höhe: 150.000 Euro nebst Zinsen. Zudem sollte das Arbeitsgericht ihr Schadenersatz für alle Schäden aus der Impfung zusprechen. Von einem Behandlungsfehler der Impfärztin war in der Klage nicht die Rede. Die Frau gab allerdings an, dass man sie nicht ordnungsgemäß auf die möglichen Folgen einer Impfung hingewiesen habe. Die Betriebsärztin bestritt diese Darstellung.
Das Bundesarbeitsgericht sieht keine Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers
Die Klage der Arbeitnehmerin vor dem Arbeitsgericht in Freiburg war erfolglos. Sie ging in Berufung zum Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg. Auch dort konnte sie die Richter nicht von ihren Ansprüchen überzeugen. Daraufhin legte sie Revision beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt ein – wieder ohne Erfolg.
- Der Arbeitgeber war nicht aus einem Vertragsverhältnis schadenersatzpflichtig, so die Begründung. Der Behandlungsvertrag zur Impfung wurde vielmehr zwischen der Arbeitnehmerin und der freiberuflichen Betriebsärztin geschlossen.
Ob die Betriebsärztin die Risikoaufklärung vor der Impfung sachgerecht durchgeführt hatte, war damit war für die Klage gegen den Arbeitgeber irrelevant. Das Gleiche galt für die Frage, ob die Beschwerden der Frau überhaupt durch die Grippeimpfung verursacht worden waren. - Es bestand auch keine Verletzung der Arbeitgeberpflichten gegenüber der Mitarbeiterin als Grund für Schadenersatzforderungen. Der Arbeitgeber bezahlte die Impfung zwar. Das machte ihn jedoch nicht für die korrekte Durchführung verantwortlich. Er hatte eine Ärztin beauftragt, die die fachliche Kompetenz zum Impfen besaß. Außerdem war die Teilnahme für die Mitarbeiter freiwillig.
- Schließlich hatte die Klägerin auch keinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgelds aus deliktischer Haftung, denn der Arbeitgeber hatte gegen keine Gesetzesvorschrift verstoßen.
In bestimmten Fällen ist die Arbeitgeberhaftung für Impfschäden denkbar
In diesem Fall wiesen Arbeitsgerichte auf drei Instanzen die Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen der Angestellten zurück. Doch das bedeutet nicht, dass eine Arbeitgeberhaftung nach einer Impfung durch Betriebsärzte überhaupt nicht möglich wäre.
So bezog sich das Bundesarbeitsgerichts unter anderem darauf, dass die Impfärztin freiberufliche Betriebsärztin und keine Beschäftigte des Arbeitgebers war. Impft ein angestellter Betriebsarzt, oder lädt der Arbeitgeber selbst zu der Impfung ein, dann ist es möglich, dass der Arbeitgeber für Versäumnisse wie eine fehlende oder fehlerhafte Aufklärung vor der Injektion einstehen muss. In derartigen Fällen einer arbeitgeberorganisierten Impfung ist dann zudem zu beachten, dass es sich bei Impfschäden grundsätzlich auch um einen Arbeitsunfall handeln kann, der wiederum die gesetzliche Unfallversicherung auf den Plan ruft.
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