Für vier Jahre Verzugszinsen an die SOKA-Bau? Nein, sagt das LAG Hessen
Neuer SOKA-Tarifvertrag, kürzere Verjährungsfristen – aber gelten sie auch?
Ein Baubetrieb glich 2019 Forderungen der Sozialkasse der Bauwirtschaft aus, die von 2015 stammten. Die Sozialkasse verlangte aufgrund der Verzögerung Verzugszinsen. Allerdings hatten zwischenzeitlich neue tarifvertragliche Regelungen über die Sozialkasse seit 2019 die Verjährungsfrist von vier auf drei Jahre verkürzt.
Deshalb musste schließlich das hessische Landesarbeitsgericht mit Sitz in Frankfurt am Main entscheiden, ob die SOKA-Bau in diesem Fall Anspruch auf Verzugszinsen hatte, oder ob die kürzere Verjährung diese Zinsforderung gegenstandslos werden ließ.
Die Sozialkasse der Bauwirtschaft: SOKA-Bau
Die Sozialkasse des Baugewerbes ist eine per Tarifvertrag eingerichtete Zusatzkasse für die Baubranche. Sie übernimmt die Zahlung von Urlaubsgeld und organisiert eine betriebliche Zusatzversorgung für Beschäftigte im Baubereich.
Die Verfahrenstarifverträge (VTV) über das Sozialkassenwesen im Baugewerbe werden seit vielen Jahrzehnten regemäßig vom Bundesarbeitsminister für allgemeingültig erklärt. Die Folge ist, dass auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber SOKA-Beiträge bezahlen müssen. Entscheidend für die Beitragspflicht ist allerdings, ob die sehr verklausulierten Vorgaben des VTV auf das jeweilige Unternehmen zutreffen. Diese Frage ist Gegenstand zahlreicher Gerichtsverfahren rund um SOKA-Forderungen. Die Sozialkasse ist bekannt dafür, Ansprüche offensiv zu verfolgen und schnell Klage zu erheben.
Keine Beschäftigten mehr – aber die SOKA-Bau will noch Verzugszinsen
Das Bauunternehmen hatte seit 2017 keine Bauarbeiter – im Sprachgebrauch des Sozialkassenrechts „gewerbliche Arbeitnehmer“ – mehr beschäftigt. Ältere Forderungen der SOKA-Bau wurden jedoch erst im Herbst 2019 per Verrechnung beglichen. Sie stammten aus dem vierten Quartal des Jahres 2015. Wegen der Verspätung forderte die Sozialkasse anschließend noch Verzugszinsen für die versäumte Bezahlung in den Jahren 2015 bis 2018.
Der Betrieb wollte diese Verzugszinsen nicht zahlen. Er berief sich auf eine verkürzte Verjährungsfrist von nur noch drei Jahren. Diese Verkürzung war als Bestandteil eines neuen VTV im September 2018 vereinbart worden. Der neue Tarifvertrag trat zum 01. Januar 2019 in Kraft und wurde im Mai 2019 für allgemeingültig erklärt. Nur für Forderungen, die bis spätestens Ende 2014 fällig geworden waren, sieht der VTV 2019 noch eine vierjährige Verjährungsfrist vor. In früheren VTV betrug die Verjährungsfrist generell vier Jahre.
Außerdem hatte die SOKA in ihrem Mahnantrag, der im Dezember 2021 eingereicht wurde, unvollständige Angaben zu den Verzugszinsen für das Jahr 2018 gemacht. Dieser formale Fehler des Mahnbescheids wurde erst in einem Schreiben vom 13. Januar 2022 korrigiert.
Wenn damit das Datum des Mahnantrags ins Jahr 2022 verschoben wurde, war die Dreijahresfrist auch in Bezug auf Forderungen zum Jahr 2018 abgelaufen. Aber galt die dreijährige Verjährung in diesem Fall überhaupt?
Das Landesarbeitsgericht gewährt der SOKA Verzugszinsen – aber nur für ein Jahr
Das Arbeitsgericht Wiesbaden, am Sitz der SOKA-Bau, entschied in erster Instanz im Sinne des beklagten Baubetriebs. Das Wiesbadener Gericht sah die dreijährige, kürzere Verjährungsfrist als einschlägig an und verwarf damit den Anspruch der SOKA-Bau auf Verzugszinsen.
Die Sozialkasse legte Berufung zum Landesarbeitsgericht Hessen ein. Dort hatte sie etwas mehr Erfolg. Das LAG erkannte zumindest einen Teil ihrer Forderung nach Verzugszinsen an. Es ging, anders als die erste Instanz, von einer weiterhin geltenden vierjährigen Verjährungsfrist aus. Gleichzeitig hielt es die Fehler des Mahnantrags in der Fassung vom Dezember 2021 für entscheidend. So wurden diese Forderungen für die Frankfurter Richter erst mit der korrigierten Fassung vom Januar 2022 wirksam geltend gemacht.
Deshalb waren die Verzugszinsen-Forderungen für 2015, 2016 und 2017 erneut vom Tisch. Nur noch die Verzugszinsen für 2018 in Höhe von etwas mehr als 9.000 Euro wurden der Sozialkasse zugesprochen.
Ohne Beschäftigte ist die Neufassung des VTV nicht einschlägig, argumentiert das LAG
Warum legten die Frankfurter Arbeitsrichter eine vierjährige Verjährungsfrist zugrunde und nicht die im neuen VTV des Jahres 2018 vereinbarten drei Jahre? Ganz einfach: Sie sahen den Betrieb von dem neuen Tarifvertrag nicht erfasst, weil dessen Geltungsbereich auf Betriebe mit Arbeitnehmern und/oder Auszubildende beschränkt war. Die frühere SOKA-Praxis, auch Solo-Selbstständige im Baubereich zu Beiträgen heranzuziehen, ist seit einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Jahr 2018 Geschichte.
Da der Baubetrieb seit 2017 niemand mehr beschäftigte, fiel er nicht mehr unter den nachfolgenden Tarifvertrag. Damit galten die Bestimmungen des VTV 2013 als letzter Tarifvertrag-Version, während deren Geltungszeit er Arbeitnehmer beschäftigte, für dieses Unternehmen weiter – und damit auch die vierjährige Verjährungsfrist.
Es lohnt sich, Sozialkassenforderungen genau zu überprüfen
Auch wenn er die Verzugszinsen für 2018 bezahlen muss: die juristische Gegenwehr des Baubetriebs gegen die Zinsforderungen der Sozialkasse wurde belohnt. Die Verzugszinsen für drei Jahre konnte er abwehren. Der Fall zeigt: Es lohnt sich, wenn Arbeitgeber von der SOKA-Bau geltend gemachte Ansprüche genau prüfen. Zu vorauseilendem Zahlungsgehorsam besteht kein Anlass.
Fachanwalt Dr. Meides berät Arbeitgeber zu allen Sozialkassen-Sorgen
Rechtsanwalt Dr. Meides ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und seit Jahrzehnten auf die tariflichen Sozialkassen spezialisiert. Er berät und vertritt Unternehmen aller Größen und Branchen aus dem gesamten Bundesgebiet gegenüber der SOKA-Bau, der Malerkasse und anderen tarifvertraglichen Urlaubskassen. Sie erreichen die MEIDES Rechtsanwaltsgesellschaft unter MEIDES Rechtsanwälte, Frankfurt.
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