Fallen für Leiharbeitnehmer Sozialkassenbeiträge an?
„Baufremd“ tätige Leiharbeitnehmer, die SOKA will Beiträge von der Zeitarbeitsfirma
Ein Betrieb, der sich auf die Nachisolierung von Rohrleitungen und Pipelines spezialisiert hatte, entlieh von einer Zeitarbeitsfirma zunächst drei, dann sechs und schließlich acht Montagehelfer.
Das rief die tarifliche Sozialkasse der Bauwirtschaft (SOKA-Bau) auf den Plan. Für die überlassenen Arbeitskräfte verlangte sie von dem Zeitarbeitsunternehmen mehr als 22.000 Euro, als Beiträge zum Urlaubs- und Lohnausgleichsverfahren. Das entsprach dem damals geltenden Beitragssatz von 14,5 Prozent der Bruttolöhne. Zur Begründung führte sie an, die Leiharbeitnehmer hätten bauliche Tätigkeiten durchgeführt, zumindest aber Zusammenhangstätigkeiten mit baulichen Tätigkeiten.
Der Entleihbetrieb brachte Ummantelungen an bestehenden Rohren an und isolierten Schweißnähte nach. Im Zusammenhang damit fielen auch Erdbohrarbeiten sowie der Aushub von Kabel- und Rohrgräben an. Der Verleiher gab jedoch an, dass die überlassenen Arbeitnehmer keine solchen baulichen Arbeiten verrichteten. Sie hätten ausschließlich einfache Helfertätigkeiten wie den Transport von Material und Werkzeugen übernommen.
Wann gelten Sozialkassentarifverträge für Leiharbeitnehmer?
Die SOKA-Bau begründete ihre Forderung mit einer Regelung im Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Gemäß § 8 Abs. 3 AEntG gilt SOKA-Beitragspflicht für Leiharbeitnehmer, wenn ihre Tätigkeit für das Entleihunternehmen unter den VTV-Bau fällt. Der VTV-Bau ist der Sozialkassentarifvertrag der Baubranche, das rechtliche Fundament der Sozialkasse und ihrer Beitragsansprüche.
Dabei ist es seit einer Gesetzesänderung von 2014 gleichgültig, ob der Entleihbetrieb insgesamt vom VTV-Bau betroffen ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die von den Leiharbeitnehmern ausgeübten Tätigkeiten davon erfasst werden. In diesem Fall schuldet die Zeitarbeitsfirma der SOKA-Bau Beiträge, auch wenn der Entleihbetrieb selbst „baufremd“ ist.
Können nicht-bauliche Arbeiten für einen baulichen Entleihbetrieb Beitragspflicht auslösen?
Das Arbeitsgericht Wiesbaden, die erste Instanz in dem Verfahren, hatte auch den umgekehrten Zusammenhang zwischen der Arbeit der Leiharbeitnehmer und der SOKA-Beitragspflicht hergestellt: Wenn die Leiharbeitnehmer keine baulichen Tätigkeiten durchführen, so die Rechtsauffassung der Wiesbadener Richter, dann besteht keine SOKA-Beitragspflicht, selbst wenn der Entleihbetrieb für sich genommen unter den VTV fällt.
Die Hilfstätigkeiten waren nach Auffassung der ersten Instanz nicht baulich. Das hätten sie nur als sogenannte Zusammenhangstätigkeiten zu baulichen Haupttätigkeiten sein können. Und diese baulichen Haupttätigkeiten hätte nach Auffassung des Arbeitsgerichts Wiesbaden die Leiharbeitnehmer selbst erbringen müssen. Die bauliche Tätigkeit beim Entleihbetrieb, das heißt das Nachisolieren der Rohre, zählte seiner Meinung nach nicht. Dabei berief sich das Arbeitsgericht auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgericht zur Entrostungsarbeiten, über die wir seinerzeit berichtet hatten.
Das Hessische Landesarbeitsgericht in Frankfurt am Main kam zu einer anderen Sichtweise. Demnach reichten die baulichen Haupttätigkeiten beim Entleihbetrieb aus, damit die Hilfstätigkeiten der Leiharbeitnehmer als Zusammenhangstätigkeiten baulich und somit beitragspflichtig wurden.
Die bauliche Nachisolierung der Rohrleitungen ließ auch die damit zusammenhängenden Material- und Werkzeugtransporte baulich werden. Das LAG begründete diese Einschätzung unter anderem mit dem Weisungsrecht des Entleihers gegenüber den Leiharbeitnehmern. Außerdem verwies es auf ihre Eingliederung in den Entleihbetrieb. Es verurteilte die Zeitarbeitsfirma zur Nachzahlung der geforderten Beiträge.
Sozialkassenpflicht und Leiharbeit oder Zeitarbeit
Die SOKA-Beitragspflicht im Zusammenhang mit Arbeitnehmerüberlassung beschäftigt die Arbeitsgerichte immer wieder. Entsprechend oft wurde im Blog der Fachanwaltskanzlei Meides schon über das Thema berichtet:
- Bundesarbeitsgericht: für SOKA-Pflicht von Leiharbeitnehmer genügen Nebenarbeiten
- Arbeitnehmerüberlassung zwischen Baubetrieben: Rechtliche Fallstricke
- Wenn SOKA-Beitragspflicht, dann Erstattungsanspruch – auch als Zeitarbeitsfirma
- Wenn die SOKA-Bau von Zeitarbeitsfirma Beiträge für Leiharbeiter fordert
SOKA-Pflicht als Falle für Zeitarbeitsfirmen? Fachanwalt Dr. Meides weiß Rat
Die Sozialkassenpflicht ist eine kostspielige Sache Allein der Beitrag zur Urlaubskasse der Bauwirtschaft beträgt 2023 für gewerbliche Arbeitnehmer 15,2 Prozent des Bruttolohns. Der Gesamtbeitrag zur SOKA-Bau liegt sogar bei 20,8 Prozent. Für Angestellte fallen ebenfalls Beiträge an. Zahlen muss sie allein der Arbeitgeber – oder der Verleiher beziehungsweise das Zeitarbeitsunternehmen.
Das SOKA-Risiko kann aus der Arbeitnehmerüberlassung schnell ein Verlustgeschäft machen. Dabei ist die Frage, wann ein Entleihbetrieb baulich ist, oder wann die Leiharbeitnehmer bei einem nicht-baulichen Entleiher bauliche Tätigkeiten durchführen, alles andere als trivial. Sozialkassenrecht ist sehr komplex. Dazu kommt, dass Arbeitnehmerüberlassung an Bauunternehmen rechtlich ohnehin stark eingeschränkt ist. Diese Rechtslage kann für Zeitarbeitsfirmen zum Minenfeld werden.
Die Fachanwaltskanzlei Meides sorgt für Abhilfe. Dr. Peter Meides ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und gestaltet seit vielen Jahren erfolgsorientierte Lösungen für Arbeitgeber, die mit der SOKA-Bau zu tun haben. Seine spezialisierte Rechtsberatung macht die Arbeitnehmerüberlassung auch in baunahem Kontext zum sicheren Terrain – schreiben Sie eine E-Mail an Meides Rechtsanwälte Frankfurt.
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