Erdbohrungen ohne weitere Bauarbeiten, trotzdem an die SOKA-Bau zahlen?
Ein Unternehmen für Erdbohrungen wehrte sich dagegen, dass es beitragspflichtig sein sollte. So kam der Beitragsstreit vor Gericht. Mit wechselndem Erfolg und offenem Ausgang: Nachdem vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden die Klage zugunsten des Betriebs ausging, siegte in der Berufung beim Hessischen Landesarbeitsgericht die SOKA-Bau. Nun muss das Bundesarbeitsgericht in Erfurt über die Sache entscheiden.
Ist ein Bohrunternehmen automatisch ein Bauunternehmen?
Das betroffene Unternehmen führt Erdbohrungen aller Art durch: Wasserbohrungen, Pegelbohrungen, Erkundungsbohrungen und Geothermiebohrungen, zur Nutzung von Erdwärme, zur Erschließung von Wassermessstellen oder zur Baugrundprüfung, für öffentliche Auftraggeber wie Wasserbehörden und kommunale Versorgungsunternehmen, außerdem für Energieversorger sowie private Auftraggeber.
Die SOKA-Bau vertrat die Auffassung, die Arbeiten fielen unter den Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV). Dieser Tarifvertrag regelt die Voraussetzungen für die SOKA-Beitragspflicht sehr detailliert. In Abschnitt V Nr. 6 werden dort „Bohrarbeiten“ erwähnt. Deshalb sei das Unternehmen beitragspflichtig, so die Sozialkasse, es habe laut Zeugenaussagen überwiegend Bohrarbeiten zur Untersuchung von Baugrundstücken und Tiefbautrassen sowie Erdwärme-Bohrungen durchgeführt.
Bohrungen für Grundwassermessstellen und geophysikalische Testbohrungen
Daraufhin legte das Bohrunternehmen eine Arbeitszeitaufstellung vor, die ergab, dass Bohrungen zu Grunduntersuchungen etwa 30 Prozent der Gesamtarbeitszeit umfassten, Bohrungen für Grundwassermessstellen 12 bis 15 Prozent, Bohrarbeiten zur geophysikalischen Bodenerkundung (im Gegensatz zur Baugrunduntersuchung) 15 bis 20 Prozent, dazu kamen Arbeiten zur Dokumentation der Untergrundbeschaffenheit einschließlich von Fotodokumentation mit etwa 10 Prozent. Der Rest der Arbeitszeit entfiel auf Lager-, Transport- und Werkstattarbeiten.
Solche Aufstellungen zur betrieblichen Gesamtarbeitszeit sind in Verfahren um die Sozialkassenpflicht von großer Bedeutung. Für die Beitragsansprüche der SOKA-Bau ist es entscheidend, ob mehr als die Hälfte der im Betrieb geleisteten Gesamtarbeitszeit auf beitragspflichtige Arbeiten entfällt.
Entscheidend: Wann sind Erdbohrungen baugewerblich?
Das Landesarbeitsgericht verstand unter Bohrarbeiten im Sinne des VTV solche, die „herkömmlicherweise im Baugewerbe mittels Bohrgeräten ausgeführt werden“ , und führte als Beispiele Bohrungen zum Entnehmen von Bodenproben oder Aufschlussbohrungen für Baugrunduntersuchungen an. Diese seien selbst dann beitragspflichtig, wenn es keinen Zusammenhang mit weiteren Bauleistungen gebe. Nach dieser Auffassung ist eine Bohrtätigkeit baulich, auch wenn später kein Hochbau oder Tiefbau an dieser Stelle stattfindet oder überhaupt stattfinden sollte.
Baugewerblich und damit beitragspflichtig seien außerdem Bohrungen für Geothermiebohrungen. Dass Erdwärmebohrungen zur SOKA-Bau-Beitragspflicht führen können, hatten Gerichtsurteile bereits früher ergeben. Brunnenbohrungen sind ebenfalls in vielen Fällen bauliche Leistungen, Brunnenarbeiten werden im VTV ausdrücklich erwähnt.
Sind Bohrungen für Grundwassermessstellen eine Form der Urproduktion?
Als entscheidend für das LAG-Urteil stellte sich damit die Frage heraus, ob Bohrarbeiten, die für das Einrichten von Grundwassermessstellen vorgenommen werden, unter den Begriff der Urproduktion fallen oder nicht. Von diesem Punkt hing ab, ob in der erwähnten Arbeitszeitaufstellung insgesamt SOKA-pflichtige Tätigkeiten überwogen oder nicht.
Urproduktion bezeichnet die Wirtschaftszweige, die Wirtschaftsgüter direkt aus natürlichen Ressourcen gewinnen. Neben Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei zählt auch der Bergbau dazu. Urproduktion ist definitionsgemäß nicht gewerblich, fällt damit nicht unter den VTV und führt nicht zu SOKA-Beitragspflicht.
Das Hessische Landesarbeitsgericht befand allerdings, Wasser sei „kein Bodenschatz wie etwa Sand oder Kies“ und ausdrücklich vom Bergrecht ausgenommen. Deshalb falle eine Bohrung, die zur Feststellung der Wasserqualität diene, nicht unter Urproduktion. Bohrarbeiten zur Einrichtung von Grundwassermessstellen seien vielmehr Vorarbeiten für Wasserbauarbeiten. Das Unternehmen wurde zur Zahlung der SOKA-Beiträge verurteilt.
Warten auf die BAG-Entscheidung
Dagegen hat der Betrieb wie erwähnt Revision eingelegt. Wie das Bundesarbeitsgericht in der Frage entscheiden wird, lässt sich noch nicht absehen.
Dafür zeigt sich auch hier, dass es in jedem einzelnen Fall des tariflichen Sozialkassenrechts auf die konkreten Umstände ankommt. Häufig spielen Details eine Rolle, die mit der Sozialkasse als solcher auf den ersten Blick wenig zu tun haben. Wer denkt beim Stichwort „SOKA-Bau“ schon an die Frage, ob Grundwassergewinnung Urproduktion darstellt?
Genau aus diesem Grund ist es risikobehaftet, die Frage nach der Beitragspflicht des eigenen Betriebs selbst beantworten zu wollen. Es lohnt, für SOKA-Rechtsfragen sich an einen darauf spezialisierten Rechtsanwalt zu wenden.
Das in diesem Beitrag verwendete Foto stammt von © Dietrich Krieger, Grundwassermesstelle-2-10, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons. Herzlichen Dank!