Druckrohrsysteme für Kraftwerke: Gilt für Industriemontage Beitragspflicht zur SOKA-Bau?
Ist Industrieanlagenbau / Industriemontage SOKA-pflichtig? Grundsätzlich nicht!
Die Sozialkasse des Baugewerbes (SOKA-Bau) zieht von Betrieben des Baugewerbes Sozialkassenbeiträge ein. Neben klassischen Bauunternehmen werden immer wieder auch Betriebe zur Beitragszahlung herangezogen, die sich selbst keineswegs zur Baubranche zählen.
Manchmal hat die Sozialkasse Erfolg damit, neue Beitragszahler jenseits des traditionellen Bausektors zu akquirieren: Die einschlägigen Bestimmungen des VTV (des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe), von denen die Beitragspflicht letztlich abhängt, enthalten viele überraschende Bestimmungen. Andererseits scheitert die SOKA-Bau auch häufig mit ihren Beitragsforderungen, falls die betroffenen Unternehmen sich mit Rechtsmitteln zur Wehr setzen.
Das gilt auch und gerade dann, wenn es um Industriemontage geht, wie der Fall eines Unternehmens für Rohrleitungsmontage im Kraftwerksbau zeigt.
Ein Fachbetrieb für die Montage von Rohrleitungssystemen
Das Unternehmen hat sich auf Rohrleitungsbau für Kraftwerke und Raffinerien spezialisiert. Ein Schwerpunkt ist die Montage von Druckrohrleitungen für den Dampf-Wasser-Umlauf samt den zugehörigen Armaturen, einschließlich Planung und aller Schweißarbeiten.
Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung hat ihren Sitz in Serbien, unterhält jedoch eine Niederlassung in der Nähe von Köln. Von dort aus schickte sie sieben bis zehn Arbeiter zum Bau von Kraftwerksblöcken bei Grevenbroich und bei Ingolstadt. Diese montierten Rohrleitungen einschließlich von Halterungssystemen und führten mit halbautomatischen Schweißgeräten Lichtbogenhandschweißen bzw. Schutzgasschweißen (Wolfram-Inertgas-Schweißen) aus.
Hochdruckrohre montieren und schweißen
Eigentlich, so sollte man denken, weist viel darauf hin, dass es sich bei diesen Arbeiten um Industriemontage handelt. Die Gewerbeanmeldung der Kölner Niederlassung nennt „Industriemontage von Rohrleitungen“ als Unternehmenstätigkeit. Die Aufenthaltstitel für die serbischen Arbeiter waren für die Arbeit als Schweißer und Schlosser ausgestellt. Drei Vorarbeiter sind Ingenieure mit Diplom. In den Werkverträgen für die Arbeit in den Kraftwerken ist als Auftragsgegenstand „Rohrleitungsmontage“ und „Metallmontage“ festgehalten.
Es ging um Montage- und Schweißarbeiten zur Berohrung neuer Kraftwerksblöcke, genauer der im Stahlbaugerüst der Kesselhäuser aufgehängten Kessel. Dafür mussten aus Rohrspools Leitungen montiert und vorher die dafür erforderlichen Unterkonstruktionen, Aufhängungen und Führungen samt der für die Lasteinleitung in das Stahlbaugerüst benötigten Elemente befestigt werden. Zudem mussten die Rohre an die jeweiligen Sammler und Verteiler, Pumpen und Behälter angeschlossen werden. Auch die Anschlussschweißnähte brachte der Betrieb an. Da es um ein Hochdruck-Dampf-Wasser-Kreislaufsystem ging, mussten Rohre und Anschlüsse hohen Temperaturen und Drücken standhalten.
Für das Verbinden der Rohre wurden die mit Schellen verbundenen Rohrenden aus hochlegiertem Edelstahl nach Abnahme durch den TÜV vorgewärmt, mit Schutzgas formiert, an den Heftpunkten geheftet und anschließend verschweißt. War die Schweißnaht ausgeglüht, wurde sie geschliffen. Ein Drittunternehmer war schließlich für die Ultraschallprüfung der Schweißnähte zuständig.
Wann ist Rohrleitungsbau baulich, wann fällt er unter den Metall-Tarifvertrag?
Die SOKA-Bau verlangte von dem Betrieb mehr als 40.000 Euro an Beitragsnachzahlungen. Nach ihrer Ansicht handelte es um eine selbstständige Betriebsabteilung, in der arbeitszeitlich überwiegend Bauarbeiten in Form von Rohrleitungsbauten ausgeführt wurden.
Allerdings gilt im Sozialkassenrecht die Besonderheit, dass grundsätzlich keine SOKA-Beiträge fällig werden für Tätigkeiten, die unter die Mantel- und Rahmentarifverträge der Metall- und Elektroindustrie fallen. Darauf berief sich der Betrieb, als ihn die Sozialkasse verklagte. Bei den Arbeiten handle es sich um Industriemontage. Das Druckrohrsystem eines Kraftwerks als energietechnischer Anlage sei integraler Bestandteil dieser Industrieanlage mit eigenständiger Funktion.
Die SOKA-Bau schaut in die Röhre
Die erste Instanz, das Arbeitsgericht Wiesbaden, gab der Klage der SOKA-Bau statt. Das Landesarbeitsgericht Hessen in Frankfurt entschied dagegen im Sinne des Rohrbau-Betriebs. Und auch das Bundesarbeitsgericht in Erfurt, bei dem das Verfahren schließlich landete, gab dem Unternehmen recht und entschied gegen die Sozialkasse. Auch für die Richter am BAG handelte es sich bei dem Unternehmen um einen Industriebetrieb, der unter die Metalltarifverträge fiel, und nicht um einen SOKA-pflichtigen Handwerksbetrieb des Rohrleitungsbaus. Das Unternehmen habe nur Teilleistungen mit hohem Spezialisierungsgrad ausgeführt und einen Arbeitsschritt in der Herstellung einer Industrieanlage übernommen.
Beitragspflicht oder nicht? Immer wieder entscheiden Details.
Wie die Aussichten stehen, gegenüber der SOKA-Bau vor Gericht Recht zu behalten, hängt wie in diesem Fall oft von Details ab. Die Feinheiten des Rechtsgebiets haben sich viel zu weit vom Arbeitsalltag der Betroffenen entfernt, um dies als Laie beurteilen zu können.
Ein auf Sozialkassenrecht spezialisierter Fachanwalt für Arbeitsrecht kann allerdings Auskunft geben. Wenn Sie wissen wollen, wie es um die Beitragspflicht Ihres Unternehmens steht, erreichen Sie Rechtsanwalt Meides unter 069 9592 9790.
Das in diesem Beitrag verwendete Foto stammt von © JurecGermany, Halbrohrschlange, CC BY-SA 3.0 DE. Herzlichen Dank!