Bundesarbeitsgericht ermöglicht Versetzungsklausel ins Ausland
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: Versetzung aus Deutschland nach Italien war zulässig
Der Arbeitgeber will den Arbeitnehmer versetzen, dieser wehrt sich vor dem Arbeitsgericht: Versetzungsklausel in Arbeitsverträgen führt immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten. So war es auch im Fall eines bei Ryanair beschäftigten Piloten. Er sollte vom Flughafen Nürnberg an den Flughafen von Bologna in Italien versetzt werden, als die Fluglinie ihre „Homebase“ in Nürnberg 2020 aufgab. Vorsorglich wurde die Versetzung mit einer Änderungskündigung verknüpft.
Der Pilot war mit der Versetzung nicht einverstanden. Er nahm die Änderungskündigung nur unter Vorbehalt an und klagte sich durch alle Instanzen. Erfolg war ihm jedoch nicht beschieden: Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass der Arbeitgeber das Recht hatte, den Mitarbeiter ins Ausland zu versetzen. Die Frage nach der Zulässigkeit der Änderungskündigung stellte sich damit gar nicht mehr.
Entscheidend: Der Arbeitsvertrag mit Versetzungsklausel ohne Einschränkung auf Deutschland
Das Weisungsrecht des Arbeitgebers ist nicht generell auf Deutschland beschränkt, stellten die Richter in Erfurt fest. Voraussetzung ist, dass der Arbeitsvertrag dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur Versetzung einräumt. Das war bei dem Piloten der Fall: Arbeitsvertraglich war geregelt, dass er unternehmensweit an jedem Standort der Fluglinie eingesetzt werden konnte. Ein fester Arbeitsort in Deutschland war dagegen nicht vorgesehen. Gemäß einem Tarifsozialplan, der anlässlich der Homebase-Schließung abgeschlossen worden war, galten bei einer Versetzung ins Ausland die jeweiligen örtlichen Arbeitsbedingungen und Tarifgehälter. Deshalb scheiterte die Versetzung auch nicht am Verlust einiger für Nürnberg, nicht aber in Bologna geltenden tariflichen Leistungen.
Das Argument des Arbeitnehmers, wonach die Versetzungsklausel in seinem Arbeitsvertrag in dieser Allgemeinheit ungültig sei, weil sich das Weisungsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 Gewerbeordnung auf Deutschland beschränke, überzeugte das BAG nicht. „Eine Begrenzung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.“ so das BAG in einer Pressemeldung.
Versetzung ins Ausland muss zumutbar sein: das BAG verlangt eine Billigkeitsprüfung
Allerdings machten die Richter erneut klar, dass die arbeitsvertraglichen Voraussetzungen allein nicht ausreichen, um eine Versetzung zu ermöglichen. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers muss stets „nach billigem Ermessen“ ausgeübt werden, das heißt in zumutbarer Weise. Arbeitgeber dürfen nicht willkürlich agieren, weder beim Direktionsrecht im Allgemeinen noch bei Versetzungen im Besonderen.
Aber auch die Billigkeitsprüfung ergab keinen Hinderungsgrund: Alle anderen in Nürnberg stationierten Piloten wurden ebenfalls nach Italien versetzt. Ein Arbeitsplatz in Deutschland war für den klagenden Mitarbeiter nicht frei, und der Tarifsozialplan war eingehalten worden.
Die Versetzungsklausel ist entscheidend – und die konkreten Umstände der Versetzung
Das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem Urteil klargestellt, dass Arbeitnehmer eine Versetzung ins Ausland nicht generell ablehnen können. Schränkt der Arbeitsvertrag das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Versetzungen nicht ein, und legt er keinen festen Arbeits- oder Tätigkeitsort in Deutschland fest, müssen Mitarbeiter sich grundsätzlich fügen.
Das bedeutet jedoch keineswegs, dass grenzüberschreitende Versetzungen nun in allen konkreten Fällen möglich sind. Sie hängen von einer Reihe von Voraussetzungen ab:
- Entscheidend ist wie erwähnt zunächst einmal der Arbeitsvertrag. Sehr häufig ist dort ein Arbeitsort festgelegt. Auch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen können Versetzungen einschränken. Zudem erweisen sich arbeitsvertragliche Versetzungsklauseln vor Gericht oft als angreifbar, weil sie zu umfassend formuliert wurden. Ihre Gestaltung gehört in die Hände eines Fachanwalts für Arbeitsrecht.
- Ein zweiter entscheidender Punkt ist die Zumutbarkeit. Häufig wird der Arbeitgeber nachweisen müssen, dass er den Mitarbeiter nicht am alten Standort weiterbeschäftigen und ihm auch keinen anderen Arbeitsplatz in Deutschland anbieten konnte. Hätte ein anderer Kollege zur Verfügung gestanden, für den die Versetzung aufgrund seines Alters oder der Familiensituation eher zumutbar gewesen wäre, kann die Sache auch daran scheitern.
- Schließlich stellt sich bei grenzüberschreitenden Fragen des Arbeitsrechts stets die Frage, welches nationale Rechtssystem gilt. Gemäß Art. 8 der Rom 1-Verordnung kann für Individualarbeitsverträge innerhalb der EU das nationale Recht frei gewählt und später auch einvernehmlich geändert werden. Die BAG-Entscheidung hat nur Auswirkungen, wenn das Arbeitsverhältnis deutschem Arbeitsrecht unterliegt.
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