Bundesarbeitsgericht: Duschen und Umziehen als bezahlte Arbeitszeit

Duschen und Umziehen als Teil der Arbeitszeit – mit vollem Lohnanspruch

In der Regel gehen Arbeitgeber nicht davon aus, dass sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Dinge wie Umziehen oder Körperpflege bezahlen. Ein Container-Mechaniker aus dem Raum Nürnberg verklagte seinen Arbeitgeber jedoch erfolgreich auf die Nachzahlung von Lohn für das Duschen und Umkleiden nach der Schicht.

Das Urteil ist nicht auf alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland übertragbar. In bestimmten Fällen müssen Unternehmen sich allerdings darauf einstellen, dass für die für Körperreinigung und Kleidungswechsel benötigte Zeit Lohnanspruch besteht. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts nennt Kriterien dafür.

Schmutzige Arbeit: Container abschleifen und neu lackieren

Die Aufgabe des Arbeitnehmers, der geklagt hatte, bestand in der Instandhaltung von Containern. Er schlief schadhafte oder korrodierte Stellen ab und lackierte sie neu. Für diese Arbeit stellte ihm der Betrieb spezielle Arbeitskleidung zur Verfügung: Sicherheitsschuhe und Handschuhe, dazu eine Atemmaske samt Schutzbrille, außerdem eine Arbeits-Latzhose, T-Shirt und eine Schutzjacke. Diese Sachen zog er vor der Schicht auf dem Betriebsgelände an und nach Ende der Arbeit wieder aus. Dann gab er sie zum Reinigen ab. Außerdem konnte er beim Arbeitgeber duschen.

Er verklagte seinen Arbeitgeber auf Nachzahlung von Lohn: die Umkleide- und Reinigungszeiten müssten vergütet werden, ebenso die Wegezeit auf dem Betriebsgelände zwischen Umkleideraum und seinem Einsatzort. Der Prozess zog sich über drei Instanzen, vom Arbeitsgericht Nürnberg über das Landesarbeitsgericht Nürnberg bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt. Das verwies den Fall zwar zurück an die Vorinstanz. Doch diese Entscheidung brachte dem Arbeitnehmer bereits den Erfolg: Die Erfurter Richter erkannten seinen Anspruch auf Lohnnachzahlung fürs Duschen und Umziehen an.

Vergütungsanspruch für Körperreinigung: das BAG nennt Kriterien

Die Urteilsbegründung des BAG erläutert, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber die Zeit fürs Duschen nach der Arbeit zu bezahlen hat.

  • Demnach sind „Körperreinigungszeiten“ vergütungspflichtig, wenn ein Arbeitnehmer sich bei der Arbeit so verschmutzt, dass ihm weder das Anziehen der privaten Kleidung noch der Heimweg ohne vorherige Köperreinigung zumutbar ist. Außerdem muss sich die Notwendigkeit des Duschens direkt aus der Tätigkeit ergeben, wie im Fall des Containermechanikers durch das Abschleifen und Lackieren.
  • Ähnlich liegt die Sache, wenn Hygiene- oder Arbeitsschutzvorschriften besondere Formen der Körperreinigung vorschreiben. Das betrifft beispielsweise ausführliches und genaues Händewaschen in medizinischen oder Pflegeberufen. Auch dann gehört die dafür benötigte Zeit zur Arbeitszeit und muss vom Arbeitgeber bezahlt werden.
  • Anders sieht die Sache aus, wenn – in den Worten des BAG – „die übliche Verunreinigung, Schweiß- und Körpergeruchsbildung des Tages“ dazu führt, dass ein Arbeitnehmer zum Feierabend duschen möchte. Das ist dann nicht „fremdnützig“ und stellt deshalb keine Arbeitszeit dar.

Wann muss die Zeit fürs Umziehen bezahlt werden?

Auch bei der Frage, wann die Zeit fürs Umziehen bezahlt werden muss, wendet das Bundesarbeitsgericht diese Grundsätze an. Im Fall des Container-Mechanikers war die Arbeitskleidung vom Arbeitgeber vorgeschrieben, der hatte sie gestellt und sorgte nach jeder Schicht für die Reinigung. Deshalb war das Umkleiden vor und nach der Arbeit fremdnützig und damit vergütungspflichtig.

Ähnlich hatte das BAG schon in früheren Verfahren geurteilt, in denen eine bestimmte Kleidung vom Arbeitgeber vorgegeben war. Wenn diese nur während der Arbeit getragen werden darf, ist die Zeit fürs Umziehen zu vergüten. Das Gleiche gilt, wenn sie „besonders auffällig“ ist und sofort den Beruf erkennen lässt. Somit wurden beispielsweise einem Zugbegleiter der Deutschen Bahn, einem Mitarbeiter im Objektschutz, einem Mitarbeiter in der Lebensmittelherstellung mit vorgeschriebener Hygiene-Ausrüstung und einem Krankenpfleger bezahlte Umzugszeiten zugestanden.

Entscheidend ist jeweils, dass die während der Arbeit zu tragende Kleidung vom Arbeitgeber oder durch Sicherheitsvorschriften vorgegeben ist. Kein Anspruch auf Vergütung besteht, wenn Mitarbeiter die Dienstkleidung freiwillig auf dem Heimweg tragen und erst dort ablegen. Und wenn die vorgeschriebene Garderobe unauffällig ist und problemlos auf dem Heimweg getragen werden kann, können Mitarbeiter sich das Umziehen nicht bezahlen lassen. Das gilt zum Beispiel, wenn der Arbeitgeber Anzug und Krawatte vorschreibt.

Empfehlenswert: Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsvertragsklauseln

Es bleibt eine Frage des Einzelfalls, ob Arbeitgeber den Mitarbeitern bezahlte Zeit für das Umkleiden vor und nach der Schicht und möglicherweise auch für Duschen oder ausführliches Händewaschen einräumen müssen.

Wenn Mitarbeiter sehr schmutzige Arbeiten erledigen, mit stark riechenden Materialien umgehen, in sehr heißer Umgebung arbeiten oder schweißtreibende Schutzausrüstung tragen, wird die Körperreinigung in der Regel vergütungspflichtig sein. Ist während der Arbeit Kleidung vorgeschrieben, die den Beruf oder die Branchenzugehörigkeit erkennen lässt, gilt das Gleiche für die Umziehzeiten.

Wieviel Zeit jeweils eingeräumt werden muss, bleibt allerdings offen. Schon deshalb bietet es sich an, die Sache in einer Arbeitsvertragsklausel oder einer Betriebsvereinbarung klar zu regeln, einschließlich des dafür veranschlagten Zeitbedarfs. Das kann späteren Forderungen nach Lohnnachzahlung den Boden entziehen.

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