Bundesarbeitsgericht: betriebsbedingte Kündigung und Kurzarbeit sind ausgeschlossen?
Ist Kündigung während Kurzarbeit möglich?
Befindet sich der Betrieb in Kurzarbeit, muss der Arbeitgeber beim Aussprechen einer betriebsbedingten Kündigung besonders sorgfältig vorgehen. Das ergibt sich aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Es gilt zumindest für Betriebe mit regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmern, für die der gesetzliche Kündigungsschutz gilt.
Erschwert ist eine betriebsbedingte Kündigung bei Kurzarbeit dem Urteil zufolge, wenn sie mit Arbeits- und Auftragsmangel begründet wird. Für den Antrag auf Kurzarbeit muss der Arbeitsmangel vorübergehend sein. Das ist eine der zentralen Leistungsvoraussetzungen. Ein vorübergehender Arbeitsmangel reicht als Kündigungsgrund in der Regel aber nicht aus.
Unmöglich sind betriebsbedingte Kündigungen während Kurzarbeit zwar nicht. Sie erfordern jedoch die genaue Beachtung der arbeitsrechtlichen Situation.
Unternehmen kündigt während Kurzarbeit
Der Fall liegt schon einige Jahre zurück, doch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat wegweisenden Charakter und ist nach wie vor maßgeblich. Arbeitgeber war im Streitfall ein Berliner Unternehmen der Metallindustrie, das neben einer Messing-Gießerei auch Messing-Halbzeuge durch Ziehen und Walzen weiterverarbeitete.
Die Folgen der Finanzkrise führten zu einem Auftragseinbruch. Es wurde zunächst für ein Vierteljahr Kurzarbeit angemeldet. Gleichzeitig wurde auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat das Entgelt gekürzt. Im Gegenzug sagte der Arbeitgeber Sonderkündigungsschutz zu. Dazu mussten die Arbeitnehmer einer Änderung des Arbeitsvertrags zustimmen. Das taten nur 111 von 127 Arbeitnehmern. Nach weiterem Auftragsrückgang beschloss das Unternehmen, zahlreiche Arbeitsplätze zu streichen. Sie gehörten fast durchweg Arbeitnehmern, die die Änderung des Arbeitsvertrags nicht akzeptiert hatten, darunter auch der Kläger. Ihm wurde nach Anhörung des Betriebsrats gekündigt. Der Arbeitnehmer war zu 50 Prozent schwerbehindert, das Integrationsamt stimmte der Kündigung zu.
Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers
Gegen die Kündigung erhob der Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage. Er bestritt, dass ein dauerhafter Produktionsrückgang und eine entsprechende Reduzierung des Arbeitsvolumens vorlagen. Vielmehr habe das Management nur die Stellen kürzen und die Arbeit anders verteilen wollen. Dass die Prognose fehlerhaft war, zeige schon die Tatsache, dass inzwischen Leiharbeiter eingesetzt wurden.
Das Arbeitsgericht Berlin gab dem Kläger recht und hob die Kündigung auf. Der Arbeitgeber ging erfolglos in Berufung zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg. Schließlich musste das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entscheiden.
Bundesarbeitsgericht: Kurzarbeit spricht für Annahme eines vorübergehenden Arbeitsmangels
Auch das Bundesarbeitsgericht sah keine dringenden betrieblichen Kündigungsgründe. Der Arbeitgeber hätte dem Urteil zufolge anhand einer konkret ausgearbeiteten Prognose zeigen müssen, dass er mit einem dauerhaften Rückgang des Beschäftigungsbedarfs rechnete, nicht nur mit einer kurzfristigen „Auftragsschwankung“. Das hätte sich auf den Zeitpunkt zum Ablauf der Kündigungsfrist beziehen müssen, nicht zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung.
Entscheidend war für die Richter, dass parallel zur Kündigung Kurzarbeit durchgeführt wurde. Dies sahen sie als Indiz dafür, dass nur ein vorübergehender Arbeitsmangel vorlag. Diese begründete Vermutung, die der Kündigung die Grundlage entzog, konnte das Unternehmen im vorliegenden Fall nicht entkräften.
Betriebsbedingte Kündigung und Kurzarbeit sind nicht ausgeschlossen
Allerdings stellte das BAG klar: Unter bestimmten Voraussetzungen sind betriebsbedingte Kündigungen auch bei bestehender oder geplanter Kurzarbeit zulässig. Dafür muss der Arbeitgeber durch „konkreten Sachvortrag“ entsprechende Argumente liefern: Er muss zeigen, dass die Beschäftigungsmöglichkeit für einzelne Arbeitnehmer aufgrund neuer Umstände oder veränderter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen dauerhaft entfällt. Außerdem muss er alle Möglichkeiten zur Flexibilisierung der Arbeitszeit einschließlich von Kurzarbeit ausgeschöpft haben.
Im Ergebnis verlangt das BAG, dass Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung bei parallel laufender oder geplanter Kurzarbeit besonders sorgfältig und stichhaltig begründen. Eine Begründung „von der Stange“ wird in diesem Fall nicht genügen. Sie verbessert nur die Chancen des gekündigten Arbeitnehmers vor dem Arbeitsgericht.
Die Möglichkeit zu einer personenbedingten oder verhaltensbedingten Kündigung bleibt ohnehin auch bei Kurzarbeit gegeben, wenn die Voraussetzungen vorliegen.
Arbeitsverhältnis beenden bei Kurzarbeit: Fachanwalt Dr. Meides berät Arbeitgeber
Ein Arbeitgeber, der im Betrieb Kurzarbeit einführen musste, muss viele Herausforderungen bewältigen. Dazu gehört auch besondere Sorgfalt im Fall notwendiger betriebsbedingter Kündigungen.
Zum Glück gibt es für diesen Fall tatkräftige Unterstützung: Rechtsanwalt Dr. Meides ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und begleitet Arbeitgeber bei der Trennung von Arbeitnehmern mit praxisorientierter anwaltlicher Kompetenz. Die Kanzlei ist unter 069 95929790 oder eMail: MEIDES Rechtsanwälte erreichbar.
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