BAG: Früherer GbR-Gesellschafter haftet nicht für unbezahlten Lohn
Ausstehenden Lohn vom früheren Gesellschafter holen?
Der Koch einer Gaststätte im Rheinland zog wegen einer ausstehenden Gehaltforderung bis vors Bundesarbeitsgericht. Die Gaststätte war für kurze Zeit von einer GbR betrieben worden. Nun sollte ein früherer Gesellschafter sein ausstehendes Gehalt bezahlen.
Das Bundesarbeitsgericht entschied gegen diese Forderung. Ausschlaggebend war die konkrete Konstellation. In anderen Fällen können ehemalige GbR-Gesellschafter sehr wohl für Lohnforderungen und andere Ansprüche herangezogen werden. Außerdem ändert sich die Rechtslage ab 2024 in wichtigen Punkten.
Die Wirt ist zahlungsunfähig, der Koch erhält kein Geld
Ein Mann, der im Raum Bonn in einer Gaststätte als Koch anheuerte, hatte wenig Freude an seiner neuen Arbeitsstelle. Bereits nach einem Monat wechselte der Inhaber. Nun gehörte das Restaurant einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit zwei Gesellschaftern. Sie beschäftigen den Koch zwar weiter, jedoch nur noch zu zwei Drittel seines Gehalts. Nach einem weiteren Monat war auch die GbR am Ende. In einem Gesellschafterbeschluss wurde ihre Auflösung vereinbart. „Alle Rechte und Pflichten aus der GbR“ sollten als erledigt gelten. Einer der Gesellschafter erhielt seine Einlage zurück. Der andere führte die Gaststätte allein weiter.
Auch ihm war wenig Erfolg beschieden. Er kündigte dem Koch nach viereinhalb Monaten. Ein Kündigungsschutzprozess endete mit Vergleich. Die darin zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarte Zahlung von rückständigem Entgelt fiel jedoch aus. Der letzte Inhaber der Gaststätte wurde zahlungsunfähig. Versuche zur Zwangsvollstreckung gingen ins Leere. Deshalb wandte sich der ehemalige Arbeitnehmer nun an den zweiten früheren GbR-Gesellschafter: er verklagte ihn vor Gericht auf Zahlung seiner ausstehenden Gehaltsforderung.
Keine Nachhaftung bei aufgelöster Gesellschaft für später entstandene Lohnforderungen
Der Rechtsanwalt des Kochs begründete die Leistungsklage gegen den ehemaligen GbR-Teilhaber mit dessen gesellschaftsrechtlicher Nachhaftung. Er sei zwar aus der Gesellschaft ausgeschieden, diese sei jedoch nicht erloschen. Der frühere Gesellschafters argumentierte, die Gesellschaft sei sehr wohl aufgelöst worden, der offene Lohnanspruch sei erst nach ihrem Erlöschen entstanden.
Während das Arbeitsgericht Bonn dem Koch die Forderung zusprach, entschieden sowohl das Landesarbeitsgericht Nordrhein-Westfalen in der Berufung als auch das Bundesarbeitsgericht in der Revision gegen seinen Vergütungsanspruch. Auch für das BAG hatte die GbR sich durch den erwähnten Gesellschafterbeschluss aufgelöst. Die offene Gehaltsforderung stammte aus der Zeit, als der andere ehemalige GbR-Gesellschafter alleiniger Inhaber der Gaststätte war. Nach der Auflösung der GbR habe ein Betriebsübergang stattgefunden und damit die Rechtspersönlichkeit des Betriebsinhabers gewechselt: der andere ehemalige Gesellschafter führte die Gaststätte als Einzelunternehmer, und war deshalb auch als Einzelperson für die Zahlung der aus dieser Zeit stammenden Gehaltsansprüche verantwortlich.
Nachhaftung ehemaliger Gesellschafter für Lohnansprüche ist durchaus möglich
GbR-Gesellschafter haften stets alle und unbeschränkt für sämtliche Schulden der Gesellschaft. Das gilt auch noch fünf Jahre nach ihrem Ausscheiden, soweit die Forderungen während ihrer Zeit als Gesellschafter begründet wurden. Die sogenannte Nachhaftung bei einer GbR ist wie bei einer Personenhandelsgesellschaft geregelt. Das ergibt sich aus § 736 BGB in Verbindung mit § 160 HGB. Sie schließt auch die Haftung aus einem Arbeitsverhältnis mit ein. In der Praxis bedeutet das:
- Auch ein ausgeschiedener GbR-Gesellschafter haftet fünf Jahre lang für unbezahlten Lohn, wenn die GbR als Arbeitgeber aufgetreten ist und der Arbeitsvertrag vor dem Ausscheiden zustande kam.
- Für Arbeitsverhältnisse, die erst nach dem Ausscheiden des Gesellschafters begonnen haben, kann dieser nicht mehr haftbar gemacht werden.
- Die Haftung für Lohnforderungen setzt voraus, dass die Gesellschaft weiterbesteht. Wenn die Gesellschaft aufgelöst wurde, so wie in dem oben beschriebenen Fall, enden die Arbeitsverhältnisse, oder sie werden mit einem anderen Arbeitgeber fortgeführt.
Gesellschaftsrecht ist stets eine Frage des Einzelfalls
Wenn ehemalige GbR-Gesellschafter vor dem Arbeitsgericht verklagt werden, muss zunächst die gesellschaftsrechtliche Situation präzise geklärt werden. Eine mögliche Zahlungspflicht gegenüber früheren oder aktuellen Mitarbeitern der Gesellschaft hängt stets von den konkreten Umständen ab.
- Das BAG rückte das Weiterbestehen der GbR ins Zentrum. Ob die Gesellschaft fortbesteht, sich in Liquidation befindet oder bereits erloschen ist, muss präzise geklärt werden.
- Das wird besonders schwierig, wenn kein oder ein lückenhafter schriftlicher Vertrag geschlossen wurde. So sieht das Gesetz grundsätzlich vor, dass eine GbR endet, wenn einer der Gesellschafter kündigt, stirbt oder insolvent wird. Eine sogenannte Fortsetzungsklausel im GbR-Vertrag kann davon jedoch abweichen. Nur dann ist ein Ausscheiden bei gleichzeitigem Fortbestehen der GbR möglich. Umgekehrt setzt die Auflösung der GbR durch Gesellschafterentscheid voraus, dass alle Gesellschafter einwilligen und ihr Beschluss nachweislich in wirksamer Form getroffen wurde.
- Auch die arbeitsrechtliche Seite muss geklärt werden: Wurde der betreffende Mitarbeiter von einem Gesellschafter für die GbR eingestellt, oder ist dieser als Einzelperson Arbeitgeber? Hat der Arbeitgeber möglicherweise gewechselt? Ist die Lohn- oder sonstige Forderung juristisch angreifbar?
- Kann die Forderung nicht abgewehrt werden, rückt automatisch der Regress ins Zentrum: Wie kann der ehemalige Gesellschafter Rückgriff auf die anderen Gesellschafter oder auf das Gesellschaftsvermögen nehmen?
Wichtig: Ab 2024 ändert sich die Rechtslage bei der GbR
2024 treten wichtige Änderungen in Bezug auf die GbR in Kraft. So bringt das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (MoPeG) die eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts (eGbR). Außerdem gibt es entscheidende Neuerungen bei der Nachhaftung von Gesellschaftern und bei den Regelungen zum Fortbestehen einer GbR. Die Reform betrifft damit auch die Rolle der GbR als Arbeitgeber. Gesellschafter einer GbR mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten sich rechtzeitig beraten lassen!
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