BAG: Berufsgenossenschaft entscheidet über SOKA-Beitragspflicht für Bankettfräsen

Bankettarbeiten: immer wieder im Zentrum von SOKA-Beitragsforderungen

Bauunternehmen müssen in Deutschland für ihre Arbeitnehmer zusätzlich zur Sozialversicherung auch Beiträge zu einer tariflichen Sozialkasse abführen. Die Sozialkasse des Baugewerbes (SOKA-Bau) ist nicht nur für generell tarifgebundene Arbeitgeber verbindlich. Da der entsprechende Bau-Verfahrenstarifvertrag (VTV) vom Bundeswirtschaftsministerium für allgemeinverbindlich erklärt wurde, müssen alle Betriebe SOKA-Beiträge bezahlen, wenn sie in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen.

Die Regeln dafür sind ausgesprochen kompliziert. Darüber, für wen der VTV und damit die Beitragspflicht zur SOKA-Bau gilt, wird laufend vor Arbeitsgerichten gestritten. Die SOKA-Bau interpretiert das Tarifwerk recht großzügig. Regelmäßig sehen sich Betriebe mit Beitragsforderungen konfrontiert, die sich selbst nicht der Baubranche zurechnen. Ein Beispiel sind Unternehmen, die Bankettfräsarbeiten neben Straßen ausführen und sich selbst eher im Garten- und Landschaftsbau verorten als im klassischen Tiefbau.

Beim Bankettfräsen wird die meist von Pflanzen bewachsene Erdfläche auf dem unbefestigten Randstreifen direkt neben der asphaltierten Straße mit einer speziellen Maschine in einer bestimmten Höhe und Neigung abgetragen. Das Ziel der Maßnahme besteht darin, dass Regenwasser oder Schmelzwasser zur Seite abfließt und auf den Banketten versickert, statt sich auf der Fahrbahn zu sammeln, die Unfallgefahr zu erhöhen und auf Dauer den Fahrbahnbelag zu schädigen.

Bankettfräsen als beitragspflichtige Bautätigkeit? Die SOKA stellt Forderungen

Ein Betrieb aus Niedersachsen sollte für fünf Arbeitnehmer und für zwei Monate des Jahres 2013 etwa 6.000 Euro an Beiträgen an die SOKA-Bau nachentrichten. Das Unternehmen war Mitglied im niedersächsischen Landesverband für GaLa-Unternehmen. Rund 60 Prozent seiner Gesamtarbeitszeit wurden durch Bankettfräsen ausgefüllt. Zum Teil wurde nach dem Abfräsen der verbleibende Boden aufgelockert und mit Gras besät. Die verbleibenden 40 Prozent der Arbeitszeit machten Baumpflege und Baumsanierungsarbeiten aus.

Die Sozialkasse des Baugewerbes sah im Fräsen Straßenbauarbeiten und damit eine Tätigkeit, die unter den Sozialkassentarifvertrag VTV fällt. Der Betrieb selbst argumentierte, die Fräsarbeiten seien landschaftspflegerische Maßnahmen, nicht anders als das Zurückschneiden von Bäumen und Hecken. Außerdem sei er Mitglied im Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. und deshalb nicht an den VTV der Bauwirtschaft gebunden. Im Garten- und Landschaftsbau gelten eigene Tarifverträge, dort gibt es mit der „Einzugsstelle Garten- und Landschaftsbau“ (EWGaLa) auch eine eigene Sozialkasse. Deren Beitragssätze liegen allerdings deutlich unter denen der SOKA-Bau.

Das Bundesarbeitsgericht wertet Bankettfräsen als Straßenbau

Die erste Instanz, das Arbeitsgericht Wiesbaden, wies die Klage der SOKA-Bau ab. Auch die Berufung der Sozialkasse gegen dieses Urteil vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht blieb ohne Erfolg. Das LAG hielt den VTV nicht für einschlägig, da der Betrieb unter den Bundes-Rahmentarifvertrag für den Garten- und Landschaftsbau falle, den BRTV GaLa-Bau. Diese Gerichtsentscheidung wollte die SOKA-Bau erneut nicht hinnehmen, sie ging in Revision ans Bundesarbeitsgericht in Erfurt.

Die Erfurter Richter widersprachen den Vorinstanzen und hoben das Urteil des LAG auf. Für das Bundesarbeitsgericht war die Frage entscheidend, ob der niedersächsische Betrieb in der gesetzlichen Unfallversicherung zur Gartenbau-Berufsgenossenschaft gehört, der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG). Andernfalls sah das BAG die SOKA-Beitragsforderungen als berechtigt an, denn es ordnete das Bankettfräsen als Straßenbauarbeiten ein. Diese werden im VTV ausdrücklich erwähnt. Um die Frage der Berufsgenossenschaft zu klären, verwiesen die Erfurter Richter den Fall zurück ans Landesarbeitsgericht.

Bankettfräsen, so das BAG, sei mit dem Abfräsen der Asphaltdecke einer Straße vergleichbar. Es betreffe nur einen anderen Teil des Baukörpers Straße. Außerdem dienten die Arbeiten der Instandhaltung der Straße, weil die Bankette dadurch abfließendes Wasser besser aufnehmen. Die eingesetzten Bankett-Fräsmaschinen seien typische Baumaschinen.

GaLa-Betriebe sind von der SOKA-Beitragspflicht ausgenommen – unter bestimmten Voraussetzungen

Das SokaSiG war ein Gesetz, dass den VTV ersetzen sollte, nachdem das Bundesarbeitsgericht dessen Allgemeingültigkeit kassiert hatte. Es galt für die strittigen Beitragsmonate im Jahr 2013. Teil des Gesetzes war eine Einschränkungsklausel. Sie nahm neben anderen Gewerken auch Mitgliedsbetriebe des Bundesverbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau von der Sozialkassenpflicht aus.

Voraussetzung war allerdings, dass diese überwiegend bestimmte Tätigkeiten ausübten, etwa die Pflege von „Siedlungsgrün“, „kommunalem Grün“ oder „Verkehrsbegleitgrün“, zudem mussten mindestens zu 20 Prozent der Arbeitszeit Grünarbeiten ausgeführt werden.

Diese Voraussetzungen sah das BAG bei Bankettfräs-Betrieb grundsätzlich gegeben. Grünstreifen neben der Fahrbahn seien „Verkehrsbegleitgrün“.  Allerdings musste das Unternehmen unter den BRTV GaLa-Bau fallen, um von der Ausnahmeregelung zu profitieren und die SOKA-Beitragspflicht zu vermeiden. Und das hing wiederum davon ab, ob für das Unternehmen die Gartenbau-Berufsgenossenschaft zuständig war, denn mittels dieser Bedingung wird im BRTV GaLa-Bau ausdrücklich der Geltungsbereich festgelegt.

Sozialkassen- und Tarifvertragsrecht: dichtes Gestrüpp

Ob das Unternehmen Sozialkassenbeiträge an die SOKA-Bau bezahlen muss, oder mit den – deutlich geringeren – Beiträgen zur EwGaLa davonkommt, hängt nun davon ab, wohin es die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung entrichtet. Über die Berechtigung von Forderungen der tariflichen SOKA-Bau entscheidet der Bescheid eines Unfallversicherungsträgers. Der Fall zeigt eindrücklich, warum Außenstehenden die Rechtslage rund um die tariflichen Sozialkassen oft undurchdringlich erscheint.

Die zunehmend unübersichtliche Situation im Sozialkassenrecht spielt der SOKA in die Hände. Viele Unternehmen versuchen erst gar nicht, deren Forderungen abzuwehren, sie lassen sie nicht einmal prüfen und zahlen einfach. Dabei gibt es regelmäßig Fälle, in denen die SOKA mit ihren Ansprüchen vor Gericht scheitert.

GaLa-Bau oder SOKA-Pflicht? Die Fachanwaltskanzlei Meides berät Sie

Rechtsanwalt Dr. Meides ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und ausgewiesener Experte für Sozialkassenrecht. Er berät Unternehmen aus dem Bereich des Garten- und Landschaftsbau zu den Möglichkeiten, Beitragszahlungen an die SOKA-Bau zu vermeiden und Beitragsforderungen abzuwehren. Sie erreichen die Fachanwaltskanzlei per E-Mail an MEIDES Rechtsanwälte Frankfurt.