Arbeitgeber-Pflicht zur Arbeitszeiterfassung: Was bedeutet der Paukenschlag des BAG

BAG: Arbeitgeber sind zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet

Alle Arbeitgeber in Deutschland sind dazu verpflichtet, die täglichen Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erfassen. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Dabei orientiert er sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Mit dem BAG-Beschluss vom 13. September 2022 ist die Rechtslage in Sachen Arbeitszeiterfassung in Deutschland nun klar. Ausnahmen gibt es nicht mehr.

Hintergrund: Die Rechtslage zur Arbeitszeiterfassung

Das Arbeitszeitgesetz selbst verlangt die Erfassung von Arbeitszeiten nur bei Mehrarbeitsstunden, d. h. wenn die tägliche Arbeitszeit acht Stunden überschreitet. Ansonsten ist für Minijobber und in bestimmten, von Schwarzarbeit gefährdeten Branchen das Festhalten von Dauer, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit explizit vorgeschrieben (§ 16 ArbZG und § 17 MiLoG).

Dagegen hat der Europäische Gerichtshof hat schon im Jahr 2019 entschieden, dass in den EU-Ländern eine allgemeine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gilt. Die Entscheidung, bekannt als „Stechuhr-Urteil“, war ein Auftrag an die nationalen Gesetzgeber, das Arbeitsrecht entsprechend zu gestalten. Dem Bundesarbeitsgericht zufolge müssen deutsche Arbeitgeber die Arbeitszeiten jedoch auch ohne vorherige Änderung der deutschen Gesetze erfassen. Dies leitet es aus der Arbeitgeberpflicht zum Arbeitsschutz her, genauer aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz.

Die Entscheidung: Betriebsrat fordert Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems

Der Streit, den das Bundesarbeitsgericht entscheiden sollte, bezog sich auf das Mitbestimmungsrecht. Der Betriebsrat einer Pflegeeinrichtung hatte mit dem Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit abgeschlossen. Nun wollte er mit der Leitung über die Einführung eines Systems zur elektronischen Arbeitszeiterfassung verhandeln. In diesem Punkt kam keine Einigung zustande. Daraufhin wollte der Betriebsrat eine Einigungsstelle.

Einigungsstellen sind dazu da, Konflikte zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber zu lösen, meist unter Vorsitz eines Arbeitsrichters. Für den Arbeitgeber war die Arbeitszeiterfassung jedoch kein Thema für eine Einigungsstelle. Darüber kam es zum Prozess, der bis zum Bundesarbeitsgericht führte.

Streitpunkt im Verfahren war, ob der Betriebsrat Verhandlungen darüber erzwingen kann. Für das BAG kam es darauf aber gar nicht an: Der Arbeitgeber ist dem Urteil zufolge ohnehin gesetzlich zur Einführung einer Arbeitszeiterfassung verpflichtet. Deshalb ist das keine Frage der Mitbestimmung.

Formell hatte die Pflegeeinrichtung als Arbeitgeber also Erfolg, die Verhandlungen mit dem Betriebsrat bleiben ihr erspart. In der Sache nützt ihr das jedoch wenig: Eine elektronische Arbeitszeiterfassung muss sie trotzdem einführen.

Was folgt daraus für Arbeitgeber?

Der Arbeitgeberverband BDA war nicht begeistert: „überstürzt und nicht durchdacht“ war für ihn die Entscheidung des BAG. Verbands-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter kritisierte, ohne gesetzliche Konkretisierung seien die Unternehmen überfordert. Er sieht das „bewährte und von den Beschäftigten gewünschte“ System der Vertrauensarbeitszeit in Frage gestellt.

In der Tat: Vertrauensarbeitszeit ganz ohne Erfassung der Zeiten wird es in Zukunft wohl nicht mehr geben können. In jedem Fall sollten Unternehmen nun ein System zur Arbeitszeiterfassung bereitstellen. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten sie die Arbeitnehmer außerdem zu dessen Nutzung verpflichten.

Das Ende der Arbeit im Homeoffice ist damit allerdings nicht gekommen. Die BAG-Entscheidung hindert Arbeitgeber nicht daran, mobile Erfassungssysteme etwa fürs Smartphone zu nutzen.

Eindeutige Vorgaben dazu, welche Voraussetzungen ein Arbeitszeiterfassungssystem erfüllen muss, um den Anforderungen genügen, gibt es leider nicht. Auch die EuGH-Entscheidung gab dazu nur her, dass ein „objektives, verlässliches und zugängliches System“ einzuführen sei. Ob der Gesetzgeber die BAG-Entscheidung zum Anlass nimmt, um endlich für eine gesetzliche Regelung mit klareren Vorgaben zu sorgen, bleibt abzuwarten.

Rechtsberatung zur Arbeitszeiterfassung für Arbeitgeber und Betriebsräte

Rechtsanwalt Dr. Peter Meides ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und befasst sich seit Jahrzehnten mit Fragen des Mitbestimmungsrechts und der Betriebsordnung wie Regelungen zur Arbeitszeit. Fachanwalt Dr. Meides berät sowohl Arbeitgeber wie Betriebsräte. Sie erreichen die Meides Rechtsanwaltsgesellschaft durch eine Nachricht an ffm@meides.de.

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