Beratung und Akquise statt Bautätigkeit: und trotzdem Beitragspflicht zur SOKA-Bau?
Montage von Fenstern, Türen, Rollläden und Markisen: die SOKA-Bau will Beiträge
Ein Betrieb aus dem Saarland montierte und reparierte Markisen und Rollläden. Daneben wurden auch Fenster und Türen als Fertigelemente eingesetzt. Das rief die tarifliche Sozialkasse der Bauwirtschaft (SOKA-Bau) auf den Plan: Sie verlangte Beitragsnachzahlungen für vier gewerbliche Arbeitnehmer und insgesamt 11 Monate. Das ergab eine Forderung von mehr als 30.000 Euro.
Das Sozialkassensystem für Baubetriebe existiert zusätzlich zur gesetzlichen Sozialversicherung. Im Gegensatz zu den Sozialversicherungsträgern wie den Krankenkassen beruht die Sozialkasse der Bauwirtschaft auf einem Tarifvertrag zwischen Bau-Arbeitgebern und Gewerkschaften. Da dieser Verfahrenstarifvertrag (VTV) vom Bundesarbeitsministerium für allgemeingültig erklärt wurde, müssen auch ansonsten nicht tarifgebundene Betriebe für ihre Mitarbeiter Beiträge an die Sozialkasse zahlen. Diese Beitragslast trägt der Arbeitgeber allein.
Entscheidend für die SOKA-Beitragspflicht ist, ob ein konkreter Betrieb von dem im Tarifvertrag definierten Geltungsbereich erfasst wird. Das hängt in erster Linie von den genauen Tätigkeiten ab: machen im VTV als beitragspflichtig definierte Arbeiten mehr als 50 Prozent der Gesamtarbeitszeit aus, muss der Betrieb für alle Mitarbeiter Beiträge an die SOKA-Bau abführen. Die Frage der Beitragspflicht führt regelmäßig zu rechtlichen Auseinandersetzungen. So war es auch in diesem Fall: weil der Betrieb aus dem Saarland nicht zahlen wollte, zog die SOKA-Bau vors Arbeitsgericht.
Erfolg für den Baubetrieb in der ersten und zweiten Instanz, aber nicht vorm Bundesarbeitsgericht
Vor Gericht machte der Betrieb zum einen geltend, dass die Reinigung und Wartung von Markisen keine beitragspflichtigen Bautätigkeiten seien. Die Montage von Sonnenschutz für Innenräume sei genauso wenig baulich und damit nicht beitragspflichtig zur SOKA-Bau, denn sie gehöre zu den Raumausstatter-Tätigkeiten. Ansonsten sei ein großer Teil der Arbeitszeit durch Beratungen und Akquise in Anspruch genommen worden. Dabei verwies er auf die große Verkaufsausstellung, die das Unternehmen für potenzielle Kunden unterhielt. Ein Großteil dieser Gespräche habe nicht einmal zu Aufträgen geführt. Tatsächlich bauliche Montage- und Reparaturarbeiten an Fenstern, Türen und Rollläden hätten nur etwa 20 Prozent der Gesamtarbeitszeit umfasst.
Diese Argumentation überzeugte das Arbeitsgericht Wiesbaden in der ersten und das hessische Landesarbeitsgericht in Frankfurt als zweite Instanz. Vor dem Bundesarbeitsgericht hatte der Betrieb jedoch keinen Erfolg. Die Erfurter Richter werteten nicht nur die Montage von Fertigfenstern und -Türen sowie die Montage und Reparatur von Rollläden als baulich. Das galt ihrer Meinung nach auch für das Anbringen von Markisen.
Vor allem ordnete das Bundesarbeitsgericht auch die Arbeitszeiten, die mit Akquise und Beratung verbracht wurden, den Bautätigkeiten und damit der SOKA-Beitragspflicht zu. Es sah in den Beratungs- und Akquise-Gesprächen sogenannte Zusammenhangstätigkeiten mit den baugewerblichen Arbeiten. Das gelte selbst dann, wenn diese Gespräche nicht zu einem Auftrag führten. Da für das BAG der Hauptzweck des Betriebs in der Montage von Markisen und anderen Fertigbauelementen bestand, waren die Service- und Verkaufsgespräche rund um den Sonnenschutz nach dieser Auffassung ebenfalls baulich. Nach dieser Sichtweise war mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit baulich, für den Betrieb bestand SOKA-Beitragspflicht.
Sind die Mitarbeiter in Ihrem Betrieb viel mit Vertrieb und Beratung beschäftigt?
Mit seiner Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht einen weiteren Claim für die Sozialkasse des Baugewerbes abgesteckt: typische Vertriebstätigkeiten eines baugewerblichen Betriebs können zu den Zeiten zählen, die eine SOKA-Beitragspflicht begründen. Das gilt zumindest dann, wenn sie auf bauliche Aufträge abzielen, so wie in diesem Fall auf die Montage von Rollläden, Fenstern und Türen. Ob die Vertriebsanstrengungen von Erfolg gekrönt sind, ist gleichgültig.
Man kann sicher sein, dass die SOKA-Bau mit diesem Pfund wuchern wird. Für Betriebe, bei denen neben Bautätigkeiten im engeren Sinn auch Akquise und Beratung eine große Rolle spielen, lohnt sich deshalb ein Brainstorming: gibt es kluge Strategien zur Begrenzung der SOKA-pflichtigen Arbeitszeitanteile an der Gesamtarbeitszeit?
Die Begrenzung kann zum Beispiel gelingen, wenn der Vertrieb und die Beratung nicht nur auf selbst durchgeführte Montage abzielen, sondern die Bauelemente auch zur Fremd- oder Eigenmontage verkauft werden. In diesem Fall sind Vertrieb und Verkauf nach der Definition des BAG nicht baulich und die damit zugebrachte Arbeitszeit begründet keine Beitragspflicht zur Sozialkasse. Aud die Ausgliederung der Bauleistungen und der Akquise- und Vertriebstätigkeiten in je eigene Unternehmen kann eine Variante sein. Entscheidend sind immer die konkreten, individuellen Umstände.
Ein Fall für Dr. Meides – Fachanwalt für Arbeitsrecht, Schwerpunkt Sozialkassenrecht
Welche Perspektiven es gibt, Forderungen des SOKA-Bau bereits im Vorfeld oder auch im Akutfall abzuweisen, kann Fachanwalt Dr. Meides mit Ihnen zusammen im Rahmen einer Rechtsberatung klären. Angesichts der Tatsache, dass die Gesamtbeiträge zur Sozialkasse mehr als 20 Prozent der Bruttolohnsumme gewerblicher Arbeitnehmer betragen (alte Bundesländer), hat sich die fachanwaltliche Beratung schnell amortisiert.
Dr. Meides Rechtsanwälte und Fachanwälte für Arbeitsrecht sind seit langem auf Rechtskonflikte mit den tariflichen Sozialkassen spezialisiert. Wir beraten Unternehmen aller Größen und Branchen zur Sozialkassenpflicht und übernehmen die juristische Abwehr unberechtigter SOKA-Beitragsforderungen. Sie erreichen die Kanzlei unter MEIDES Rechtsanwälte Frankfurt.
Das in diesem Beitrag verwendete Foto stammt von pixabay © satyaprem. Herzlichen Dank!