Videoüberwachung beweist Arbeitszeitbetrug, Kündigung scheitert trotzdem
Arbeitszeiterfassung, Überwachungsmaßnahmen / Videoüberwachung und Arbeitsrecht
Sowohl der Europäische Gerichtshof wie das Bundesarbeitsgericht haben die Arbeitgeber-Pflicht zur Arbeitszeiterfassung unmissverständlich bekräftigt. Dass Arbeitgeber sich durch Nicht-Erfassen der Arbeitszeiten Ärger einhandeln, ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Auch eine zu weit gehende Überwachung der Arbeitszeiten, beispielsweise durch Videokameras, verstößt gegen das Arbeitsrecht. Das zeigen zwei Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen.
Ein zu einem Konzern gehörender Gießereibetrieb aus dem Raum Hannover hatte zwei Mitarbeitern gekündigt. Der Arbeitgeber stellte durch Auswertung der Video-Überwachung fest, dass ein Mitarbeiter für sich und für den anderen das „Einstempeln“ per digital lesbarem Werkausweis besorgt hatte, dann aber beide die anstehende Nachtschicht nicht abgeleistet hatten. Außerdem waren sie mehrfach zu früh gegangen. Daraufhin sprach das Unternehmen außerordentliche, fristlose Kündigungen aus. Diese wurden jedoch trotz der Belege für den Arbeitszeitbetrug vom LAG Niedersachsen kassiert: die Kündigungsschutzklagen der gekündigten Mitarbeiter hatten Erfolg. Sie hatten das Fehlverhalten bestritten und angegeben, die Schicht ordnungsgemäß abgeleistet zu haben.
Kein Beweis, trotz Videoaufzeichnungen und Daten der Arbeitszeiterfassung
Das Landesarbeitsgericht bestätigte zwar, dass Arbeitszeitbetrug als schwerer Vertrauensbruch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Es entschied aber, dass der Arbeitgeber das Fehlverhalten nicht bewiesen hatte.
Dem Versuch des Arbeitgebers, die Daten des elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems und die Videoaufzeichnungen als Beweis anzuführen, schob das Landesarbeitsgericht einen Riegel vor. Der Grund: Der Arbeitgeber hatte sich zuvor selbst dazu verpflichtet, diese Daten nicht (mehr) zu nutzen.
- Zur Einführung des elektronischen Anwesenheits- bzw. Arbeitszeiterfassungssystems war bereits 2008 eine Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber abgeschlossen worden. Diese enthielt die Festlegung, dass „keine personenbezogene Auswertung von Daten“ erfolgen sollte. Diese Betriebsvereinbarung war immer noch in Kraft. Deshalb durfte der Arbeitgeber die im System erfassten Anwesenheitsdaten nicht als Beweis gegen die Mitarbeiter verwenden.
- Die Videoaufzeichnungen vom Werkseingang waren vor Gericht ebenfalls nicht verwertbar. In Hinweistexten zu den Videokameras vor Ort stand: „Die Daten werden 96 Stunden vorgehalten“. Die Untersuchung des Verdachts auf Arbeitszeitbetrug erfolgte jedoch erst ein Jahr nach der betreffenden Schicht.
Arbeitszeitüberwachung per Videokamera ist ein DSGVO-Verstoß
In Bezug auf die Bilder der Videokamera sah das Landesarbeitsgericht außerdem ein grundsätzliches Beweisverwertungsverbot, unabhängig von der Zusage des Arbeitgebers, die Aufnahmen nur begrenzt zu speichern. Videoüberwachung sei zur Kontrolle der geleisteten Arbeitszeiten nicht erforderlich, da andere, verlässlichere Mittel zur Verfügung stünden, zum Beispiel Karten und Kartenlesegeräte. Da Videoüberwachung als Mittel zur Kontrolle von Arbeitszeiten nicht angemessen war, lag ein Verstoß gegen Datenschutzrecht vor. Die Verwertung der Aufnahmen vor Gericht wäre ein Verstoß gegen das Persönlichkeitsgrundrecht der beiden Arbeitnehmer gewesen.
Arbeitszeiterfassung und Arbeitszeitkontrolle erfordern solide arbeitsrechtliche Lösungen
Der vorliegende Fall zeigt an der Videoüberwachung anschaulich, wie schwierig die arbeitsrechtliche Situation für Arbeitgeber wird, wenn das Datenschutzrecht und selbst eingegangene Verpflichtungen den Bewegungsspielraum einschränken. Es lohnt sich, die Einführung von Systemen zur Arbeitszeiterfassung sowie zur Werksüberwachung von einem erfahrenen Fachanwalt für Arbeitsrecht begleiten zu lassen. Er wird solche Stolperfallen rechtzeitig erkennen, für ihre Vermeidung sorgen und damit spätere Probleme und Kosten verhindern.
Außerordentliche Kündigungen gehören erst recht in die Hände eines erfahrenen Rechtsanwalts für Arbeitsrecht. Andernfalls kann die Trennung selbst in eindeutigen Konstellationen vor dem Arbeitsgericht leicht scheitern. Die Folge ist eine erzwungene Rücknahme der fristlosen Kündigung.
So war es auch hier: Eine offensichtlich rechtlich nicht abgesicherte Praxis der Videoüberwachung und eine seit langem bestehende Betriebsvereinbarung kosteten den Arbeitgeber zwei Niederlagen vor dem Arbeitsgericht samt den daraus resultierenden Kosten an Lohnnachzahlungen. Dazu kommen mögliche hohe Abfindungen für eine einvernehmliche Vertragsauflösung. Die negativen Folgen für das Betriebsklima und die Mitarbeitermotivation liegen auf der Hand.
Antworten auf alle Rechtsfragen zur Arbeitszeit durch eine Fachanwaltskanzlei von exzellentem Ruf
Rechtsanwalt Dr. Peter Meides ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er berät seit vielen Jahren Arbeitgeber und Betriebsräte zu Fragen der Arbeitszeitregelung, der Betriebsordnung und zulässiger Überwachungsmaßnahmen am Arbeitsplatz. Sie erreichen die Meides Rechtsanwaltsgesellschaft durch eine Nachricht an ffm@meides.de.
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