Kündigung nach Wiederverheiratung: Was gilt für kirchliche Arbeitgeber?
Kirchliche Arbeitgeber müssen sich neu orientieren
Die Kirchen und ihre Einrichtungen sind bedeutende Arbeitgeber. Für sie hat sich das Arbeitsrecht in den letzten Jahren deutlich verändert. Die Rechtsprechung hat die besonderen Regelungen für kirchliche Arbeitnehmer in einiger Hinsicht eingeschränkt.
Daraus folgt nicht, dass die kirchliche Sonderstellung nun komplett der Vergangenheit angehören würde. Doch die Kirchen und ihre Betriebe müssen sich neu orientieren. Das zeigt sich exemplarisch an einem jahrelangen Rechtsstreit: dem Fall der Kündigung eines Chefarzts wegen seiner Wiederverheiratung.
Chefarzt am katholischen Klinikum heiratet erneut: ein Jahrzehnt Rechtsstreit
Die katholische Sittenlehre verbietet eine Wiederverheiratung, solange die vorige Ehe nicht nach Kirchenrecht aufgelöst wurde. Arbeitnehmer der katholischen Kirche sind per Arbeitsvertrag der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ unterworfen. Diese schreibt die Ausrichtung auf die katholische Glaubens- und Sittenlehre sowie auf die Rechtsordnung der Kirche fest.
Bis 2015 die „Grundordnung“ geändert wurde, galt das auch für die private Lebensführung von Arbeitnehmern der katholischen Kirche und ihrer Einrichtung, zumindest in Führungspositionen. Eine Wiederverheiratung stellte als schwerwiegender Verstoß gegen die kirchliche Sittenlehre eine Verletzung der Loyalitätspflicht dar, die entsprechende arbeitsrechtliche Sanktionen rechtfertigte.
Wiederverheiratung: Chefarzt am katholischen Klinikum – fast zehn Jahre Rechtsstreit
Einem geschiedenen Chefarzt an einem Krankenhaus in Trägerschaft der Caritas wurde 2009 gekündigt, nachdem er standesamtlich erneut geheiratet hatte. Das war der Ausgangspunkt einer Kündigungsschutzklage, die über das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht Düsseldorf zum Bundesarbeitsgericht in Erfurt, zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, zum Europäischen Gerichtshof in Luxemburg und schließlich wieder ans BAG führte.
Am Ende des fast zehn Jahre währenden Verfahrens stand fest: Der Krankenhausträger hätte dem Chefarzt nicht aus diesem Grund kündigen dürfen.
- Zum einen war die Kündigung ein Fall von Ungleichbehandlung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, denn für nicht-katholische Angestellte der Klinik gab es keine entsprechende Sanktion bei Wiederverheiratung. Das war einer der Hauptgesichtspunkte für den EuGH: demnach durfte der Krankenhausträger keine unterschiedlichen Anforderungen an den Lebenswandel je nach Konfession stellen.
- Außerdem hielt der EuGH fest, dass die Kirche Loyalität im Sinne ihres Ethos nur dann stellen durfte, wenn diese Anforderung angesichts der beruflichen Tätigkeit „wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt“ sei.
Folgerichtig stellte das Bundesarbeitsgericht in seiner abschließenden Entscheidung fest, dass die erneute Wiederverheiratung des Chefarztes kein Loyalitätsverstoß gegenüber dem Arbeitgeber war. Der Passus der damaligen Grundordnung, der dies untersagte, war als Teil des Arbeitsvertrags unwirksam. Er war nicht durch § 9 AGG gedeckt, der Kirchen unter bestimmten Voraussetzungen eine unterschiedliche Behandlung ihrer Mitarbeiter gestattet. Vielmehr war die Kündigung ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot (§ 7 AGG).
Ein erstes Urteil des BAG in dem Fall, das die Kündigung ebenfalls für unwirksam erklärt hatte, war vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben worden.
Und nun? Die Situation für katholische Arbeitgeber nach dem „Chefarzt“-Fall
Die erfolgreiche Kündigungsschutzklage des katholischen, wiederverheirateten Chefarztes hatte ein großes mediales Echo, genau wie der Fall „Egenberger“ bei der evangelischen Kirche. Viele Beobachter sahen bereits das Ende der kirchlichen Sonderstellung im Arbeitsrecht gekommen. Doch soweit ist es noch lange nicht.
Es trifft zu, dass sich die Rechtsprechung in einem entscheidenden Punkt verschoben hat: Wenn die Kirche von ihren Mitarbeitern die Konfessionszugehörigkeit oder einen bestimmten privaten Lebenswandel erwartet, muss dies „wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt“ und zudem verhältnismäßig sein. Die Arbeitsgerichte können in einem Kündigungsschutzprozess überprüfen, ob dies der Fall ist. Früher war ihre Prüfung auf Willkür oder Missbrauch beschränkt.
Doch wer nur diesen Aspekt im Blick hat, übersieht zwei wichtige Punkte:
- Zum einen hatte die katholische Kirche von sich aus 2015 zwar eine neue Fassung der Grundordnung vorgelegt. In einem Fall wie dem des Chefarztes wäre es inzwischen schwieriger eine Kündigung zu begründen. Das zeigt: Die Kirche und damit auch ihr Arbeitsrecht bewegt sich doch.
- Zum anderen müssen die Kirchen ihr besonderes, christliches Selbstverständnis selbstverständlich nicht aufgeben, auch nicht in der Arbeitgeber-Rolle. Sie können ihre Mitarbeiter dort auf ihr Ethos verpflichten, wo dies für ihre Identität und ihre Botschaft fundamental ist. Entscheidend ist, dass diese Verpflichtung stichhaltig begründbar ist. In diesem Punkt kann anwaltliche Beratung einen wichtigen Beitrag zum Arbeitsfrieden leisten – ganz besonders in Zeiten, in denen das kirchliche Arbeitsrecht besonderen Spannungen unterliegt.
Beratung für kirchliche Arbeitgeber: Fachanwaltskanzlei für Arbeitsrecht
Rechtsanwalt Dr. Sebastian Läßle berät in der Meides Rechtsanwaltsgesellschaft konfessionelle Arbeitgeber im Spannungsfeld zwischen kirchlichem Selbstverständnis und geltenden arbeitsrechtlichen Vorgaben.
Sie erreichen Rechtsanwalt Dr. Läßle unter MEIDES Rechtsanwälte, Frankfurt.
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