Kirchliche Arbeitgeber und Konfessionszugehörigkeit: die Lehren aus „Vera Egenberger“
Die Sonderstellung kirchlicher Arbeitgeber
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) untersagt es Arbeitgebern, bestimmte Mitarbeiter und Bewerber zu diskriminieren. Explizit genannt wird die Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität.
Allerdings kennt das AGG gerade in Bereich des Arbeitsrechts auch Einschränkungen dieses Verbots. Eine unterschiedliche Behandlung aus religiösen Gründen ist erlaubt, wenn der Arbeitgeber eine Religionsgemeinschaft oder eine damit verbundene Einrichtung ist: Dann kann nach § 9 Abs. 1 AGG die Zugehörigkeit zu einer Religion verlangt werden. Außerdem können solche Arbeitgeber loyales und aufrichtiges Verhalten gegenüber ihrem Glauben fordern. Das ergibt sich aus § 9 Abs. 2 AGG.
Grundlage der Sonderstellung kirchlicher Arbeitgeber ist der Art. 137 Abs. 2 der Weimarer Reichsverfassung, den Art. 140 GG ins Grundgesetz übernimmt. Er besagt: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.“
Der Fall Vera Egenberger
Die Rechtslage für kirchliche Arbeitgeber wurde vor einigen Jahren durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs und eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts erschüttert (EuGH, 17.04.2018 – C-414/16, BAG, 25.10.2018 – 8 AZR 501/14). In den Medien war daraufhin unter kirchlichem Arbeitsrecht die Rede von einem „Paradigmenwechsel“, vom „Bröckeln der Privilegien“ und davon, dass „kirchliche Stellen nicht mehr nur für Christen“ seien.
Solche Aussagen sind eindeutig zu weit gegriffen. Im Kern besagt die Entscheidung nur, dass die Forderung der Konfessionszugehörigkeit bei der Stellenbesetzung durch kirchliche Arbeitgeber gerichtlich überprüft werden kann. Für Religionsgemeinschaften und ihre Körperschaften folgt daraus, dass die Forderung der Konfessionszugehörigkeit bei Mitarbeitern sachlich begründet sein muss.
Konfessionslose Bewerber für das Diakonische Werk
Im Jahr 2012 schrieb das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung (EWDE) eine befristete Referentenstelle aus. Bei der Tätigkeit ging es um das Erstellen eines Berichts über den Stand antirassistischer Bestrebungen in Deutschland und das Vertreten des Themas gegenüber der Öffentlichkeit und in Gremien.
Die Stellenausschreibung forderte Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche oder einer der freikirchlichen Mitgliedsgemeinschaften des Werks. Eine konfessionslose Frau bewarb sich trotzdem. Nachdem sie nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden war, klagte sie auf Entschädigung wegen Benachteiligung. § 15 AGG ermöglicht bei diskriminierender Nichtberücksichtigung für eine Stellenbesetzung Entschädigungszahlungen von bis zu drei Monatsgehältern.
Die Klage der Frau vor dem Arbeitsgericht Berlin war erfolgreich. Nach Ansicht des Gerichts durfte das Werk die Konfessionszugehörigkeit nur verlangen, wenn eine „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“ vorlag. Bei der Referentenstelle sah das Gericht keine Notwendigkeit für die Kirchenzugehörigkeit.
Der EuGH, das BAG, das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und die Konfessionszugehörigkeit als Stellenanforderung
Damit entfernte sich das Arbeitsgericht von der bisherigen Rechtsprechung, nach der die Kirchen als Teil ihres verfassungsmäßigen Selbstbestimmungsrechts frei festlegen durften, für welche Stellen sie eine Konfessionszugehörigkeit verlangten.
Der Fall Egenberger ging durch die Instanzen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg lehnte den Entschädigungsanspruch der Bewerberin ab. Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt legte als Revisionsinstanz die zentrale Frage dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg vor. Dieser entschied, dass Arbeitsgerichte sehr wohl angerufen werden könnten, um die Anforderung der Konfessionszugehörigkeit in kirchlichen Stellenbewerbungen zu überprüfen.
Daraufhin sprach das BAG der abgelehnten Bewerberin zwei Monatsgehälter als Entschädigung zu. Es sah keine berufliche Anforderung, die die Konfessionszugehörigkeit als Kriterium für Bewerber rechtfertigte. Derzeit ist eine Verfassungsbeschwerde des EWDE beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Die EuGH-Entscheidung läuft dessen früherer Rechtsprechung zuwider.
Kein Kahlschlag im kirchlichen Arbeitsrecht
Die Entscheidungen des EuGH und des BAG haben die rechtliche Stellung kirchlicher Arbeitgeber im Bewerbungsverfahren sicher nicht einfacher gemacht. Allerdings darf man die Besonderheiten des Falls nicht aus den Augen verlieren: Der Parallelbericht zur deutschen Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention, auf den sich die Ausschreibung bezog, sollte nicht allein die Sicht des EWDE wiederspiegeln, sondern die einer ganzen Reihe von Organisationen. Deshalb war die kirchliche Bindung des Autors weniger ausschlaggebend, als es bei einer Positionierung der Kirche selbst der Fall gewesen wäre.
Im Ergebnis lässt sich festhalten: Wenn kirchliche Arbeitgeber begründen können, dass die Konfessionszugehörigkeit von Mitarbeitern für das Ethos, den Verkündigungsauftrag oder für die Glaubwürdigkeit der Glaubensgemeinschaft Bedeutung hat, dann dürfen sie nicht konfessionsgebundene Bewerber auch weiterhin bei der Stellenbesetzung ausschließen. Für verkündigungsnahe, repräsentative, ausbildungsbezogene und leitende Positionen aller Art kann auch in Zukunft die Konfessionszugehörigkeit verlangt werden. Loyalität zu und Respekt vor ihrer Glaubensgemeinschaft können kirchliche Arbeitgeber ohnehin von allen Mitarbeitern fordern.
Beratung für kirchliche Arbeitgeber: Fachanwaltskanzlei für Arbeitsrecht
Rechtsanwalt Dr. Sebastian Läßle in der Meides Rechtsanwaltsgesellschaft berät konfessionelle Arbeitgeber im Spannungsfeld zwischen kirchlichem Selbstverständnis und geltenden arbeitsrechtlichen Vorgaben.
Sie erreichen Rechtsanwalt Dr. Läßle unter MEIDES Rechtsanwälte, Frankfurt.
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