Keine Klausel zu § 616 BGB im Arbeitsvertrag, keine Erstattung der Quarantäne-Lohnfortzahlung
Verwaltungsgericht Koblenz: Arbeitnehmer in Quarantäne, kein Erstattungsanspruch des Arbeitgebers
Ordnen die Gesundheitsbehörden für einen Arbeitnehmer Quarantäne an, muss der Arbeitgeber ihm für bis zu sechs Wochen den Lohn oder das Gehalt weiterbezahlen. Anschließend kann er sich dieses Geld von den zuständigen Behörden seines Bundeslandes erstatten lassen. So lässt sich die einschlägige Bestimmung aus dem Infektionsschutzgesetz zusammenfassen.
Eine Bäckerei-Kette aus Rheinland-Pfalz beantragte die Quarantäne-Lohnfortzahlung jedoch zum großen Teil umsonst. Von den Mitarbeiterinnen hatte sich eine für 14 Tage in behördlich verfügter Quarantäne befunden, die andere für eine Woche. Die Behörden erstatteten jedoch nur, was der ersten Frau nach dem sechsten Quarantäne-Tag noch fortgezahlt worden war.
Die Bäckerei-Kette klagte gegen die ablehnenden Bescheide. Vor dem Verwaltungsgericht Koblenz hatte die Klage jedoch keinen Erfolg. Begründung: Für die ersten fünf Arbeitstage hatten die Arbeitnehmerinnen Anspruch auf Lohnfortzahlung gemäß § 616 BGB und deshalb keinen Quarantäne-bedingten Verdienstausfall. Der BGB-Anspruch war in den Arbeitsverträgen nicht abbedungen.
§ 616 BGB: Pflicht zur Lohnfortzahlung bei „vorübergehender Verhinderung“
Bei Krankheit haben Arbeitnehmer Anspruch auf Lohnfortzahlung gegen den Arbeitgeber. Während des Jahresurlaubs muss das Entgelt ebenfalls weiter bezahlt werden. Weniger bekannt, ist, dass Arbeitgeber bei Quarantäne eines Mitarbeiters wie gerade erwähnt den Lohn oder das Gehalt sechs Wochen lang fortzahlen müssen.
Daneben gibt es noch eine weitere Lohnfortzahlungspflicht: Sie gilt bei Arbeitsverhinderung für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche“ Zeit und ergibt sich aus § 616 BGB. Voraussetzung ist, dass der Mitarbeiter „ohne sein Verschulden“ der Arbeit fernbleibt und der Grund dafür „in seiner Person“ liegt.
Dieser Anspruch lässt sich allerdings im Arbeitsvertrag ausschließen bzw. „abbedingen“, wie dies im Arbeitsrecht genannt wird. Dann gilt er nicht. Die Bäckereikette hatte es jedoch versäumt, eine solche Klausel in ihren Arbeitsverträgen unterzubringen. Das rächte sich nun – denn während die Arbeitnehmer vom Arbeitgeber für die Zeit der Quarantäne Lohnfortzahlung fordern konnten, hatte dieser für die erste Woche keinen Anspruch auf die Erstattung durch das Bundesland Rheinland-Pfalz.
Wann besteht eine Verhinderung nach § 616 BGB, wie lange muss der Arbeitgeber bezahlen?
Der Wortlaut der Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch lässt viel Raum. Typische Beispiele für einen in der Person des Mitarbeiters liegenden Grund, der ihn ohne sein Verschulden am Arbeiten hindert, sind beispielsweise ein Wasserschaden, der die Kita unverhofft zur Schließung zwingt, oder die Notwendigkeit, ältere Angehörige zu einem plötzlich notwendig gewordenen Arzttermin zu begleiten. Selbst ein dringender Tierarztbesuch mit dem kranken Hund wurde vom Landesarbeitsgericht Nürnberg anerkannt.
Dazu, wie viele Arbeitstage eine „verhältnismäßig nicht erhebliche“ Zeit umfasst, gibt es keine einheitliche Rechtsprechung. Mit einer sechstägigen Lohnfortzahlungspflicht müssen Arbeitgeber in Fällen des § 616 BGB durchaus rechnen. Das Verwaltungsgericht Koblenz sah bei Quarantäne-Lohnfortzahlung sogar eine mögliche Anspruchsdauer von 14 Tagen, je nach Dauer des Beschäftigungsverhältnisses. Grundsätzlich hält das Bundesarbeitsgericht in besonderen Fällen Ansprüche für bis zu sechs Wochen für möglich.
Fazit: Arbeitgeber tun gut daran, den § 616 BGB abzubedingen
Der Lohnfortzahlungsanspruch aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch kann in verschiedenen Konstellationen zur Arbeitgeber-Falle werden, nicht nur bei Quarantäne-Lohnfortzahlung: Grundsätzlich erfasst er auch den Fall kranker Kinder, die der Arbeitnehmer zuhause betreuen muss. Wenn der BGB-Anspruch an die Stelle des Anspruchs auf Kinderkrankengeld tritt, muss statt der Krankenkasse der Arbeitgeber an den Ausfalltagen bezahlen.
Ausschließen bzw. abdingen lässt sich die Wirkung von § 616 BGB auf drei Arten:
- einzelvertraglich durch eine Klausel im individuellen Arbeitsvertrag
- für den gesamten Betrieb durch eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat
- durch eine Tarifvereinbarung
Für den einzelnen Arbeitgeber geht es also zunächst um die Prüfung, ob der Paragraph für seinen Betrieb oder bestimmte Betriebsangehörige bereits ausgeschlossen ist, etwa durch eine Tarifbestimmung. Wenn nicht, kann zur Behebung der Situation eine Betriebsvereinbarung oder eine Änderungskündigung erfolgversprechend sein, je nach den Gegebenheiten vor Ort. Außerdem sollten alle neuen Arbeitsverträge „§ 616 BGB-sicher“ sein.
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