Sind Sprühbeschichtungen mit Polyurea SOKA-pflichtige Bauarbeiten?
Das Auftragen von Beschichtungen kann zur Beitragspflicht in der SOKA-Bau führen, wenn die Sprühcoatings vor allem an Gebäuden oder im Rahmen von Tiefbau- und Wasserbauarbeiten erfolgen. Das ergibt sich aus einem Urteil, dass das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gefällt hat.
Sprühcoatings: vielseitige Beschichtungen
Polyurea (eigentlich heißt die Chemikalie auf Deutsch „Polyharnstoff“) gilt als Werkstoff der Zukunft. Eine solche Beschichtung lässt sich schnell und mit geringem Aufwand aufspritzen. Nach wenigen Stunden ist sie ausgehärtet und bildet fest am Untergrund haftende Schicht oder Folie. Diese Beschichtung ist wasserfest, lässt Wasserdampf jedoch passieren. Darüber hinaus ist Polyurea säurebeständig, gegen viele Chemikalien unempfindlich und dabei sehr elastisch in einem breiten Temperaturbereich. Polyharnstoff-Beschichtungen haften sehr fest auf ganz unterschiedlichen Untergründen, darunter Stahl und andere Metalle, Holz, Beton und Asphalt. Polyurea erreicht gute Werte an Abriebs- und Zugfestigkeit und ist lange beständig. Zudem sind die Sprühcoatings von Natur aus fugenlos und dichten Risse ab.
Kein Wunder also, dass dieser Werkstoff sich mittlerweise für viele unterschiedliche Anwendungen etabliert hat. Ursprünglich einmal wurde er zur Beschichtung von Tischen eingesetzt. Inzwischen werden damit außerdem Boote und Ladeflächen, Pools, Terrassen, Dächer, Industrieböden und Laderampen beschichtet, Tanks, Kanalschächte und Rohre saniert und viele weitere Objekte und Flächen überzogen. Neben der Feuchtigkeitsabdichtung und dem Schutz vor Säure ist Korrosionsschutz sowie Riss- und Fugensanierung ein wichtiger Einsatzzweck.
Ein Polyurea-Spezialist soll SOKA-Beiträge zahlen
Ein kleines Unternehmen aus Berlin hatte sich auf solche Polyurea-Sprühcoatings spezialisiert und führte mit 5 bis 8 Arbeitnehmern Beschichtungen aus. Da die SOKA-Bau die Polyurea-Sprühcoatings für baulich hielt, sollte es mehr als 50.000 Euro an Beiträgen nachbezahlen.
Der Betrieb ließ es auf ein Verfahren ankommen. Er bestritt, dass das Aufsprühen des Materials eine Bauleistung sei, die unter den VTV falle, den Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe, der die SOKA-Pflicht regelt. Und selbst wenn: dann gelte die Ausnahme von der Beitragspflicht, die der VTV für Betriebe des Maler- und Lackiererhandwerks sowie des Säurebaus vorsieht.
Sind Polyurea-Sprühcoatings eine industrielle oder eine Bautätigkeit?
Wie häufig in solchen Fällen erhob die SOKA-Bau nicht etwa nur eine Klage – sie strengte sechs verschiedene Verfahren gegen das Unternehmen an, die erst vom Arbeitsgericht Berlin zusammengelegt wurden. Nachdem der Polyurea-Betrieb dort unterlegen war, ging er vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in Berufung.
Hier wies er verstärkt darauf hin, dass die Beschichtungen im Industriebereich zum Säure- und Verschleißschutz dienten und Schienen oder Streustromisolierungen an Brücken im eigenen Betrieb bearbeitet würden. Ganzheitlich gesehen, gehöre der Betrieb zur kunststoffverarbeitenden Industrie.
Allerdings ordneten die Richter am LAG wie zuvor schon das Arbeitsgericht die Beschichtung von Arbeitsflächen und Lager-Böden dem Bereich den „Damm- und Isolierarbeiten“ zu, die Polyurea-Beschichtung von Rohren wurden dem Rohrleitungsbau und Polyurea-Auskleidungen zum Auffangen von Regenwasser oder für Pools dem Tiefbau und Wasserbau zugeordnet. Damit folgte das Gericht der Auffassung der SOKA-Bau.
Ist damit jeder Betrieb, der Sprühcoatings aufträgt, SOKA-pflichtig?
Klare Antwort: Nein. Ob ein Unternehmen, das Polyurea-Beschichtungen ausführt, wirklich Beiträge an die Sozialkasse der Bauwirtschaft zahlen muss, hängt sehr stark von der Arbeit und den Aufträgen im Einzelfall aus.
Das Beschichten Maschinenteilen ist sicher nicht baulich. Und wenn Polyurea in der Serienfertigung von Bauelementen Verwendung findet, ist eine SOKA-Pflicht zumindest fraglich. Zudem kann in bestimmten Fällen eine Verbands- oder Innungsmitgliedschaft vor SOKA-Forderungen schützen.
In diesem Prozess unterlag zwar der von der SOKA verklagte Betrieb vor Gericht. Das ändert jedoch nichts daran, dass andere Unternehmen sich erfolgreich gegen SOKA-Forderungen wehren können.
Das in diesem Beitrag verwendete Foto stammt von flickr © „Pueblo Chemical Agent-Destruction Pilot“ (CC BY 2.0) by PEO, Assembled Chemical Weapons Alternatives. Herzlichen Dank!