Neuer tariflicher Gerüstbau-Mindestlohn – fällt Ihr Betrieb tatsächlich unter die SOKA-Gerüst?

Neuer Mindestlohn für Gerüstbau-Betriebe seit Juni 2019

Zum 1. Juli 2019 wurde der tarifliche Mindestlohn für die Gerüstbau-Branche erhöht, von zuvor 11,35 Euro auf nun 11,88 Euro pro Arbeitsstunde. Der tarifliche Mindestlohn gilt für Betriebe, die „gewerblich Gerüste erstellen, Gerüstmaterial bereitstellen oder die Gerüstbaulogistik (insbesondere Lagerung, Wartung und Reparatur, Ladung oder Transport von Gerüstmaterial) betreiben“.

Zwar ist die jüngste Tarifvereinbarung und damit die erneute Erhöhung des Mindestlohns noch nicht vom Bundesarbeitsminister für allgemeinverbindlich erklärt worden. Doch das ist nur eine Formalie. Mit der Allgemeinverbindlicherklärung wird auch der neue Mindestlohn wieder für alle Gerüstbaubetriebe gelten, unabhängig von der Mitgliedschaft in einer Arbeitgebervereinigung.

Fällt Ihr Betrieb überhaupt unter den VTV Gerüstbau? Sind Sie beitragspflichtig zur SOKA Gerüst?

Der tarifliche Mindestlohn ist für die meisten Betriebe das geringere Problem. Ein echter Kostenfaktor ist dagegen die ebenfalls tariflich verankerte Beitragspflicht zur Sozialkasse Gerüstbauer (SOKA Gerüst). Für gewerbliche Arbeitnehmer werden monatlich 25 Prozent vom Bruttolohn fällig.

Der „Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Gerüstbauer-Handwerk“ (VTV Gerüstbau) legt gleich im ersten Paragrafen fest, dass diese Beitragspflicht für alle Betriebe des Gerüstbauer-Handwerks gilt, und dass dazu auch solche Betriebe zählen, die Gerüstmaterial verleihen, reparieren sowie an- und abtransportieren.

Trotzdem gibt es in der Praxis mehr als genug Zweifels- und Grenzfälle.

Sind es Gerüste im Sinn der Sozialkasse?

Als Gerüste gelten laut VTV Gerüst „alle Arten von Arbeits-, Schutz- und Traggerüsten, Fahrgerüste und Sonderkonstruktionen der Rüsttechnik“. Diese sehr breit gefasste Definition lässt der SOKA Gerüst viel Spielraum, um auch abseits vom klassischen Erstellen von Gerüsten auf Baustellen Beitragszahlungen zu verlangen.

So müssen beispielsweise Unternehmen mit Beitragsforderungen rechnen, die mobile Tribünen errichten. Doch längst nicht immer kann sich die Sozialkasse mit ihren Vorstellungen von beitragspflichtigen Unternehmen durchsetzen. Ein Beispiel: Dem Versuch, Beiträge von einem auf Bauaufzüge spezialisierten Betrieb einzufordern, erteilten die Richter eine klare Absage.

Nicht immer stehen der SOKA Gerüst Beitragszahlungen zu

Ganz klar ausgeschlossen von der Beitragspflicht zur SOKA Gerüst sind Betriebe, die Baugerüste oder anderes Gerüstmaterial ausschließlich herstellen oder damit handeln.

Dazu kommen zahlreiche Grenzfälle, in denen die Beitragspflicht von Details des Einzelfalls abhängt. Einige Beispiele:

  • Ihr Betrieb erstellt Gerüste, ist aber vor allem ein Maler- und Lackiererbetrieb, ein Dachdecker-Betrieb, führt Schalungen, Putz- und Fassadenarbeiten oder Zimmererarbeiten durch? Dann muss ganz konkret geprüft werden, welche Anteile der Gesamtarbeitszeit auf welche Art von Arbeit entfallen.
    Je nach Einzelfall kann es sein, dass für alle oder einen Teil der Arbeitnehmer Beiträge zur SOKA Gerüst bezahlt werden müssen, zur SOKA Bau, zur SOKA Dach, oder auch gar keine Sozialkassenbeiträge fällig sind.
  • Wenn Gerüstbau nur ein Teil der Tätigkeiten im Gesamtunternehmen darstellt, muss geprüft werden, ob eine „selbstständige Betriebsabteilung“ für Gerüstbauarbeiten existiert oder nicht. Die Arbeitsgericht stellen bestimmte Anforderungen an eine selbstständige Betriebsabteilung. Sind diese nicht erfüllt, müssen in der Regel keine Beiträge zur Sozialkasse bezahlt werden.
  • Ihr Unternehmen verleiht Baugerüste, daneben jedoch auch Baumaschinen und anderes Material? Auch hier hängt die Beitragspflicht neben anderen Faktoren vor allem davon ab, welcher Anteil der Gesamtarbeitszeit auf welche Geschäftstätigkeit entfällt.

SOKA Gerüst – Beiträge zahlen oder nicht? Rechtsanwalt Dr. Meides weiß Rat

Längst nicht jeder Betrieb, den die SOKA Gerüst als Gerüstbaubetrieb einordnet, ist tatsächlich einer. Gerade bei eher untypisch aufgestellten Unternehmen, bei Nischen- oder Spezialtätigkeiten sowie bei Unternehmen, die nur teilweise Gerüstarbeiten ausführen, gibt es für Beitragsforderungen oft keine stichhaltige Begründung.

Um das im Einzelfall zu beurteilen, muss man die Details des Sozialkassenrechts kennen. Ihr Anwalt kann Ihnen jedoch noch mehr sagen: Je nach Situation lässt sich eine Beitragspflicht proaktiv vermeiden. Manchmal lässt sich durch die Betriebsorganisation das Entstehen einer selbstständigen Betriebsabteilung für Gerüstbau vermeiden. Auch die Mitgliedschaft in bestimmten Innungen verhindert, dass der Betrieb vom VTV Gerüstbau erfasst wird. In anderen Fällen lässt sich durch eine Mitgliedschaft in der SOKA-Bau eine etwas geringere Beitragslast erreichen als in der SOKA Gerüst.

Nicht voreilig zahlen, nicht freiwillig Auskünfte erteilen

  • Nicht nur gegenüber der SOKA Gerüst, sondern gegenüber allen Sozialkassen gilt: Wer ohne Prüfung der eigenen Beitragspflicht zahlt, darf sich über diese Ausgabenlast nicht beschweren.
  • Gerade für Sowohl-als-auch-Betriebe und in anderen Grenzfällen lautet die goldene Regel: Nie von sich aus und freiwillig die SOKA Gerüst (SOKA-Bau, SOKA Dach, Malerkasse etc.) mit Informationen versorgen. Dazu ist man nicht verpflichtet, die Gefahr von Nachteilen ist viel zu hoch.
  • Wenn sich die Sozialkassen melden, sollten Sie sich mit einem auf Sozialkassen spezialisierten Anwalt über das optimale Vorgehen beraten. Rechtsanwalt Dr. Meides hat ständig mit den Sozialkassen zu tun. Er weiß, welche Möglichkeiten Sie nutzen können.

Das in diesem Beitrag verwendete Foto „Gerüst“ stammt von Pixabay.com © Hans. Herzlichen Dank!